
22. Februar 2025
Praxistest Cadillac Lyriq: Geronimo wohnt hier nicht mehr
Mit dem Lyriq versucht die amerikanische Luxusmarke – zum wievielten Mal eigentlich? – auf dem europäischen Markt ein Comeback. Nach den Irrungen und Wirrungen der vergangen Jahrzehnte, als Cadillacs auf Opel- und Saab-Basis nur noch Schatten einstiger Größe waren, ist der über fünf Meter lange Lyriq ein echtes Statement: Der American Way of Drive, übersetzt in die Neuzeit.
Die Front wird von einer großen, schwarzen Kühlermaske dominiert, darin das Wappen des Detroit-Gründers Antoine de Cadillac. Das Heck ahmt die senkrechten Leuchten nach, die typisch sind für die Marke. Dieses Luxus-SUV trägt nicht dick auf, sondern Nadelstreifen. Auch im Innern: Dezent ist Chromschmuck auf Knöpfen und Luftausströmern verteilt. Ein flacher, breiter Bildschirm über die halbe Fahrzeugbreite informiert über alles mögliche. Für die Klimatisierung gibt es noch richtige Knöpfe – aber nicht für das Handschuhfach: Es muss per Touch-Bildschirm im Untermenü eines Untermenüs geöffnet werden. Muss das sein?
Statt eines leise brabbelnden Achtzylinders arbeiten an Vorder- und Hinterachse Elektromotoren mit zusammen 388 kW (528 PS). Die braucht es auch, um den 2,7 Tonnen schweren Schlitten auf Trab zu bringen. Werden alle Pferde mobilisiert, stürmt der Lyriq in 5,3 Sekunden auf 100 km/h.
Die Sitze sind weich und bequem. Das Fahrwerk ist ebenfalls von der komfortablen Sorte, die Lenkung etwas indirekt. Platz gibt es im Überfluss. Auch auf den hinteren Sitzen sind Beinfreiheit und Raumgefühl luxuriös zu nennen. Der Kofferraum ist mit 588 bis 1687 Litern mehr als ordentlich. Damit das Fünf-Meter-Schiff nirgendwo aneckt, sorgen sieben Kameras, zwölf Ultraschall- und sechs Radarsensoren für Sicherheit.
Der Lyriq hat stets Vollausstattung. Entsprechend kurz ist die Liste der buchbaren Extras: Schwarz lackiertes Dach, Panorama-Schiebedach, Anhängerkupplung für 1,6 Tonnen – alles andere ist an Bord, zum Beispiel die beheizten und belüfteten Ledersitze oder ein Innenspiegel, der als Full-Display-Mirror wahlweise ein Kamerabild wiedergibt oder als gewöhnlicher Spiegel arbeitet, dessen Sichtfeld etwas klein geraten ist. Leder gibt es fast überall, wohin das Auge blickt. Damit relativiert sich der Preis von 79.000 Euro. Ein solches E-SUV von BMW, Mercedes oder Audi kostet einige Tausender mehr.
Das Infotainment gibt keine Rätsel auf: Die Anzeige vor dem Fahrersitz lässt sich mit einer Touch-Fläche links des Lenkrads individualisieren – zum Beispiel, um den Verbrauch zu sehen: Die 22,5 kW/h pro 100 Kilometer nach WLTP-Norm gehen für ein so großes Auto in Ordnung. Da die Batterie 102 kWh an Energie speichern kann, sollen 530 Kilometer Reichweite drin sein. Über 400 Kilometer sind im Alltag durchaus realistisch. Und weil der Lyriq mit bis zu 190 kW lädt, verlieren lange Strecken ihre Schrecken.
Selbst für ein Elektroauto ist der Lyriq erstaunlich leise. Weder Antrieb noch Wind- oder Abrollgeräusche dringen in den Innenraum. Hier liegt die Kraft tatsächlich in der Stille. Für die entspannte Atmosphäre sorgt das AKG-Soundsystem: 19 Lautsprecher und eine aktive Geräuschunterdrückung in den vorderen Kopfstützen lassen nur den Sound an die Ohren, den man hören will. Die Anlage ist für klassische Musik wie gemacht, hört man doch selbst die leisen Momente großer Stücke. Für Modern-Talking-Fans ist das eher nichts. Geronimo wohnt hier nicht mehr…
Daten Cadillac Lyriq
Länge x Breite x Höhe (m): 5,05 x 2,21 x 1,62
Radstand (m): 3,09
Antrieb: 2 E-Motoren, AWD
Leistung: 388 kW / 528 PS
Max. Drehmoment: 610 Nm
Höchstgeschwindigkeit: 210 km/h
Beschleunigung 0 auf 100 km/h: 5,3 Sek.
WLTP-Durchschnittsverbrauch: 22,5 kWh
WLTP-Reichweite: 530 km
Testverbrauch: ca. 25 kWh
Leergewicht / Zuladung: min. 2774 kg / max. 426 kg
Kofferraumvolumen: 588–1687 Liter
Max. Anhängelast: 1587 kg
Basispreis: 79.000 Euro
(Quelle: Guido Reinking, cen)