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12. Oktober 2023

Fahrbericht Lexus LM: Business Class auf Rädern

Unter einem Van sind im Unterschied zu einem SUV, das oftmals den Eindruck von Geländegängigkeit vermitteln soll, Großraumlimousinen mit mindestens fünf bis sieben oder mehr Sitzplätzen zu verstehen. Geprägt wurde die Bezeichnung in den Vereinigten Staaten, abgeleitet vom Caravan, dem einstigen Begriff für die Planwagen, mit deren Hilfe die Pioniere des 19. Jahrhunderts den amerikanischen Westen besiedelten. Hüben in Europa wie drüben in Amerika sind diese Autos inzwischen auf den Märkten ins Hintertreffen geraten. Die Erfolgszeiten von Renault Espace oder Chrysler Voyager sind vorbei. Trotzdem stellt Lexus jetzt die zweite Generation seines LM erstmals auch für Europa vor.

Verspätet? Mitnichten. Denn der neue LM, der ab sofort in zwei Versionen, nämlich als luxuriöser Viersitzer und als großräumiger Siebensitzer bestellbar ist, dient keineswegs einem aus der Zeit geratenen Zweck. Er wendet sich an Kunden, die entweder grenzenlosen Luxus mit einem Chauffeur am Lenkrad schätzen, oder solche, die Menschen von A nach B kutschieren möchten, denen es auf Bequemlichkeit und viel Platz besonders ankommt. Lexus nennt deshalb als potenzielle Zielgruppen für den Wagen Manager, die darin arbeiten und sich ausruhen wollen, für den Zwei- und wichtige Gäste von teuren Hotels als VIP-Schaukel für den Siebensitzer.

Gelegenheit, die beiden Varianten ausgiebig kennen zu lernen, gab es kürzlich auf den Straßen rund um das polnische Krakau. Bereits beim ersten Blick auf das Design waren die Meinungen geteilt. Bekanntlich liegt Schönheit im Auge des Betrachters. Das wussten schon die alten Griechen und meinten damit, was Menschen als schön und was als weniger schön empfinden, ist individuell unterschiedlich. Der Neue – die Abkürzung LM steht für „Luxury Mover“ (frei übersetzt „Luxus in Bewegung“) – bestätigt diese Erkenntnis.

Bewusst provokantes Design

Während die Einen das „ganz bewusst mutige und provokante Design“ (wie die Lexus-Marketingexperten schwärmen) loben, fragen sich die Anderen, was die eigenwillige Frontpartie mit dem riesigen Kühlergrill ausdrücken soll. Antwort: „Sie zeigt die neue Lexus-Identität und verweist dabei auch auf den ,Resolute Look‘, ein typisches Stylingmerkmal der Marke seit den frühen 2000er Jahren. „Würdevolle Eleganz“ verleihe dem Wagen „eine einzigartige und selbstbewusste Präsenz“. Mit anderen Worten: Wer das Fahrzeug erschrocken im Rückspiegel entdeckt, sollte schleunigst Platz machen.

Abgesehen von der großspurigen Frontpartie versöhnt die Seitenansicht des LM mit fließenden Linien, eindrucksvollen Glasflächen und einer niedrigen Gürtellinie. Als Eingänge dienen vorne herkömmliche und für die Fondpassagiere links und rechts große Schiebetüren, hinten betont die L-förmige Lichtleiste die Breite des Wagens.

Wenn japanische Automobilkonzerne die Besonderheit ihrer Modelle betonen wollen, greifen sie gerne auf Begriffe ihrer Muttersprache zurück. Während zum Beispiel Mazda die Prozeduren bei der Herstellung seiner Modelle mit den Begriffen „Takumi“ und „Monotsukuri“ umschreibt, greift Lexus bei der Interpretation des Interieurs auf den Begriff „Omotenashi“ zurück, worunter im Land der aufgehenden Sonne eine großzügige Gastfreundschaft gemeint ist.

In der Tat: Der Wohlfühlfaktor im LM, insbesondere im Viersitzer, kann sich sehen lassen. Er soll den Komfort eines Wohnraums mit der Bequemlichkeit und Funktionalität eines mobilen Büros vereinen. Dazu gehören im Fond zwei getrennte Sitze sowie eine Fülle von Ausstattungsmerkmalen für besonders komfortables Reisen. Wie in einem britischen Taxi gibt es eine Trennwand zwischen vorne und hinten, in die sich auf Wunsch ein 48-Zoll-Ultrabreitbildschirm und eine versenkbare Glasscheibe einfügen. Letztere lässt sich bei Bedarf abdunkeln und kann auf diese Weise in Aktion treten, wenn die Menschen auf den vorderen Sitzen von den Treiben hinter ihnen nichts mitbekommen sollen. In diesem Zusammenhang sind auch die beiden hinteren Sitze erwähnenswert, die nicht nur ergonomisch perfekt konstruiert sind, sondern sich je nach Lust und Laune wie in der First oder der Business Class im Flugzeug komplett in die Waagerechte bringen und so jeweils in ein Bett verwandeln lassen. Dies ist freilich auf europäischen Straßen aus Sicherheitsgründen nicht gerne gesehen.

Luxus und Bequemlichkeit im Auto sind ohne ein zurückhaltendes Geräuschniveau nicht denkbar. Die Lexus-Ingenieure verfolgten beim LM das Ziel, eine besondere Art natürlicher Geräuschlosigkeit zu erreichen, die sich von der absoluten, manchmal bedrückenden Stille eines schallisolierten Raums unterscheidet. Sie wollten jene Ruhe schaffen, die beim „Spaziergang durch einen stillen Wald erlebbar ist“, hieß es in Krakau. Das bedeutet, dass die Passagiere ein Gespräch in Zimmerlautstärke führen, einen Film genießen oder sich auf die Arbeit konzentrieren können.

Im Innenraum dämpft eine aktive Geräuschkontrolle Schallwellen in umgekehrter Phase über einen Lautsprecher und mäßigt so tieffrequente Geräusche. Akustik, die von den menschlichen Sinnen als natürlich und beruhigend empfunden wird, bleibt hingegen erhalten. Das System funktioniert über ein spezielles Mikrofon, das sich bei den Viersitzern im Fond und bei den Siebensitzern im vorderen und hinteren Bereich befindet.

Tazuna-Konzept

Und wie fühlt sich der Mensch am Steuer während der Fahrt? Dazu lässt sich die Lexus-Pressemitteilung geradezu poetisch aus. „Das Fahrerlebnis lässt sich als natürlicher Dialog des Fahrers mit dem Fahrzeug beschreiben, definiert durch die charakteristischen Merkmale der Lexus Driving Signature: Komfort, Kontrolle und Vertrauen“, ist da zu lesen.

„Ganz gleich, wie luxuriös der Innenraum und die Ausstattung eines Fahrzeugs sind, ohne anspruchsvolle Fahreigenschaften können die Passagiere ihre Zeit nicht wirklich komfortabel verbringen“, erklärt Chefingenieur Takami Yokoo. Nochmals bedient sich Lexus seiner Muttersprache: Im Cockpit, so heißt es, folge „die Anordnung der wichtigsten Bedienelemente und Anzeigen dem Tazuna-Konzept“, was so viel bedeutet, dass der LM seiner Fahrerin oder seinem Fahrer wie ein Pferd am Zügel (Tazuna) folgt.

Gewöhnungsbedürftig ist im Viersitzer der digitale Rückspiegel für die ungehinderte Sicht nach hinten, der als normaler Spiegel bei geschlossener Rückwand seine Funktion ja seine Funktion verlieren würde. Darüber hinaus sorgen Kameras rund um das Fahrzeug für einen 360-Grad-Blick auf die unmittelbare Umgebung oder wahlweise einen Blick aus der Vogelperspektive, um das präzise Manövrieren auf engem Raum zu erleichtern.

Für die Fahrt stehen vier Modi zur verfügung, die über das Multimediadisplay oder Sensortasten direkt am Lenkrad wählbar sind. Im individuellen Custom-Modus kann der Fahrer – im Viersitzer wohl in erster Linie ein Chauffeur – seine bevorzugten Einstellungen selbst auswählen.

Wer den Wagen im Sport-Modus die Sporen gibt, wird erleben, dass sich der Verbrennermotor sogar im LM hörbar, aber keineswegs lästig zu Wort meldet. Auf den kurvenreichen Straßen rund um Krakau steigerte sich der Fahrspaß nicht zuletzt wegen der präzisen, aber dennoch leichtgängigen Lenkung, die stets Auskunft über die Fahrbahnbeschaffenheit gab. Das elektronisch gesteuerte Bremssystem lässt keine Wünsche offen, und der niedrige Schwerpunkt des Wagens tut zusammen mit dem Allradantrieb der Dynamik keinen Abbruch.

Leistung bietet der selbstladende 2,5-Liter-Hybrid-Elektroantrieb genügend, wenn auch nicht übermäßig. Insgesamt bringen Benzin- und zwei Elektromotoren zusammen 250 PS (184 kW) bei einem maximalen Drehmoment von 239 Newtonmetern auf die Straße. Das reicht für eine Beschleunigung von null auf 100 km/h in immerhin 8,7 Sekunden und eine Höchstgeschwindigkeit von 190 km/h. 122.700 Euro sind für den Siebensitzer und 147.100 Euro für den Viersitzer fällig – mindestens.

Wenn der Lexus LM in die von seinen Schöpfern selbst definierte Nische als Viersitzer für Bosse und Siebensitzer für anspruchsvolle Fahrgäste oder große Familien ausfüllt, dürfte ihm durchaus bescheidener Erfolg sicher sein, denn die Konkurrenz von Audi, Mercedes oder BMW setzt in dieser Klasse auf Limousine statt Van. 

Daten Lexus LM 4-Sitzer E-Four

Länge x Breite x Höhe (m): 5,13 x 1,89 x 1,96
Radstand (m): 3,00
Antrieb: R4-Benziner, 2487 ccm, 2 E-Motoren, AWD, Aut.
Gesamtleistung: 184 kW / 250 PS
Leistung Benzinmotor: 140 kW / 190 PS bei U/min 6000
Max. Drehmoment: 239 Nm bei 4300–4500 U/min
Höchstgeschwindigkeit: 190 km/h (elektr: 125 km/h)
Beschleunigung 0 auf 100 km/h: 8,7 Sek.
WLTP-Durchschnittsverbrauch: 7,2 l/100km
CO2-Emissionen: 163 g/km (WLTP)
Leergewicht / Zuladung: min. 2345 kg / max.525 kg
Kofferraumvolumen: 752 Liter
Basispreis: 147.100 Euro

(Quelle: Hans-Robert Richarz, cen)

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