22. Juni 2021
Fahrbericht Jaguar XF: Krallen gestutzt, Komfort gesteigert
Einst Bestseller im Raubtierkäfig, wurde Jaguars Business-Modell XF über die Jahre nach hinten durchgereicht und hält inzwischen die rote Laterne bei den Zulassungen. Keine 400 Fahrzeuge konnten die Briten zuletzt in Deutschland absetzen. Was allerdings auch nicht weiter verwundert. Abgesehen vom allgemeinen Trend zum SUV wurden dem Traumwagen jedes Handlungsreisenden motorisch immer mehr die Krallen gestutzt. Die drei V6-Aggregate sind Geschichte, im kommenden Modelljahr wird es nur noch 2-Liter-Vierzylindermotoren geben, und nur noch einer davon ist ein Diesel. Der allerdings ist eine Wucht.
Denn nicht nur hat das neue Einstiegsmodell der Baureihe mit 204 PS (150 kW) gegenüber dem Vorgänger nochmal 24 PS (18 kW) Leistung aufgesattelt. Dank der Koppelung mit einem Mild-Hybrid wurde er damit – zumindest nach Norm – noch eine ganze Ecke (14 Prozent) sparsamer. Dabei hat er nichts von seinem Punch verloren. Im Gegenteil, mit 430 Nm Drehmoment bringt der D200 mehr Druck auf die Kurbelwelle als die beiden stärkeren Benziner-Varianten P250 und P300, deren Typenbezeichnung zugleich die PS-Leistungen benennen. So treibt der Selbstzünder die heckgetriebene Limousine in 7,6 Sekunden auf Landstraßentempo, mit optionalem Allradantrieb sind es zwei Zehntel mehr. Auch die Kombiversion Sportbrake braucht für den Standardsprint jeweils zwei Zehntel länger.
Doch die Quartett-Daten sagen nichts über die souveräne und scheinbar mühelose Art der Fortbewegung. Ist die Betriebstemperatur erstmal erreicht, bummelt der Selbstzünder im Drehzahlkeller vor sich hin, nur um beim Tritt aufs Pedal mit Nachdruck nach vorne zu marschieren. Elegant orchestriert wird das Ganze durch eine seidenweich und aufmerksam schaltende Achtstufenautomatik von ZF. So fliegen die Kilometer vorbei, während man sich drinnen am aufgewerteten Cockpit gar nicht satt sehen kann, das nun wie die SUV-Modelle F- und E-Pace das neue Infotainment-System Pivi Pro beherbergt.
Herzstück und Hingucker des neuen Systems ist der 11,4-Zoll HD-Touchscreen in der Mitte, der leicht gekrümmt sich dem Profil der Instrumententafel anpasst und mit brillanter Auflösung, schnellem Zugriff und intuitiver Bedienung glänzt. Dem zur Seite steht ein ebenso hoch auflösendes Fahrerdisplay, das digitale Rundanzeigen ebenso darstellt wie Medien, Bordinfos oder eine 3D-Kartennaviagtion. Via Bluetooth können zwei Smartphone gleichzeitig via Apple CarPlay oder Android Auto ans Bordsystem gekoppelt werden, allerdings nur eins in der induktiven Ladestation mit Signalverstärkung aufgeladen werden.
Drumherum finden sich je nach Ausstattung offenporige Holzeinlagen und Aluminium sowie eine über die gesamte Breite des Armaturenträgers gezogene Verkleidung im Klavierdeckel-Look. Allein der nach dem Start elegant ausfahrende Drehknauf des Automatikwählhebels ist einem schlichten Alu-Hebel mit handschmeichlerischer Belederung gewichen. Immerhin, ein kleiner metallischer Drehschalter für die Fahrprofilauswahl ist als Reminiszenz an den spektakulären Startvorgang geblieben.
Erste aktive Fahrbahngeräusch-Unterdrückung
Die bequemen Sitze punkten mit breiten Auflageflächen sowie je nach Ausstattung Massagefunktionen, Sitzheizung und -kühlung. Für weiteres Wohlbefinden an Bord sorgt eine ebenfalls optionale Luftionisierung, deren Filtration – nicht schlecht in Pandemiezeiten –ultrafeine Partikel und Allergene neutralisiert. Ist das große Panorama-Glasdach verbaut, lässt sich die elektrische Sonnenblende durch einfaches Vor- und Zurückwedeln der Hand vor dem Innenspiegel bedienen. Ist das Meridian-Soundsystem an Bord (ab HSE), erlebt der Fahrer nicht nur eine fulminante Klangkulisse, sondern auch die erstmals in dieser Klasse eingesetzte aktive Fahrbahngeräusch-Unterdrückung, die unerwünschte Schwingungen per entgegengesetzter Schallwellen eliminiert.
Wer zur eleganten Fortbewegung auch noch was zu transportieren hat, sollte zur Kombiversion greifen. Die unterscheidet sich in der Front nicht von der Limousine, wirkt in der seitlichen Ansicht aber trotz identischer Länge noch mal gestreckter. Tatsächlich bietet der XF Sportbrake jede Menge Platz. Hinter der breiten, optional auch per Fußkick nach oben schwingenden Heckklappe aus Polymer-Material öffnet sich ein 565 Liter großer Kofferraum, der durch Umlegen der 40:20:40 teilbaren Rücksitzlehnen zu einem 1700 Liter fassenden komplett ebenen Laderaum erweitert werden kann. Wem das nicht reicht: Die serienmäßige Niveauregulierung der luftgefederten Hinterachse macht die Kombiversion im Verbund mit einer Anhänger- Stabilitätskontrolle und bis zu zwei Tonnen Anhängelast darüber hinaus zu einem kräftigen Zugfahrzeug.
Unter 51.200 Euro nicht zu haben
Am Außendesign hat sich dagegen kaum etwas getan. Der bereits im vergangenen Jahr überholte Auftritt wurde noch einmal mit neu gestyltem Stoßfänger, größeren seitlichen Lufteinlässen und breiteren Grill mit klassisch inspirierten, diamantartigen Pin-Einsatz nachgeschärft. An den seitlichen Lufteinlassschlitzen springt nun wie beim Sportwagen F-Type der ikonische Jaguar-Leaper. LED-Scheinwerfer sind immer Serie, die einem Matrix-Licht vergleichbare Pixel-LED-Technologie kostet 1350 Euro Aufpreis.
Und damit sind wir bei dem weniger angenehmen Teil des Berichts: den Preisen. Unter 51.200 Euro ist der Jaguar XF mit Dieselmotor und Hinterradantrieb nicht zu haben, die Kombiversion Sportbrake startet ab 54.340 Euro. Jeweils 2500 Euro kommen hier für den Allradantrieb hinzu, der im Benziner-Topmodell P300 (ab 58.700 Euro) immer verbaut ist und im P250-Benziner (ab 52.700 Euro) gar nicht zu haben ist. Es gibt drei Ausstattungen S, SE und HSE sowie alles Modellversionen noch mal als R-Dynamic mit jeweils 2400 Euro Aufpreis. Am Ende reicht die Liste bis zum XF Sportbrake P300 AWD R-Dynamic HSE für 74.000 Euro – und dann kommt erst die Optionsliste mit zahlreichen Extras wie einem adaptiven Fahrwerk (990 Euro) Black-Pack-Designpaket (1074 Euro) oder einem hübschen Metallic-Anstrich (1000 Euro).
(Quelle: Auto-Medienportal ampnet)