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13. Februar 2023

Fahrbericht Ineos Grenadier: Traditionalist fürs Grobe

Mit dem Auto durch ein Wattenmeer zu fahren, das hat aus der Gruppe wohl noch niemand erlebt. Aber jetzt stehen wir mit dem Ineos Grenadier am Übergang vom Land auf den Sand von Morecambe Bay, eines mehr als 300 Quadratkilometer großen Ästuars im Nordwesten Englands, am Fuß der kahlen Berge des Lake District. Das Wasser hat sich mit der Ebbe zurückgezogen, wir stehen im Norden, vor uns liegen zwölf Kilometer bis zum Südufer, das sich im Dunst verliert.

Wer sich hier nicht auskennt oder mit dem falschen Material unterwegs ist, begibt sich in Lebensgefahr. Aber wir haben ortskundige Führer, die mit grobstollig bereiften Traktoren die Strecke sondieren und genau wissen, was man hier tun und besser lassen sollte. Und wir sitzen am Steuer eines echten Geländewagens: Der neue Ineos Grenadier, den wir hier testen, verkörpert Off-Road-Tugenden in seiner, soweit das heute überhaupt noch möglich ist, unverfälschtesten Form.

Auf den ersten Blick könnte man auf die Idee kommen, es handele sich bei ihm um einen Lizenzbau des klassischen Land Rover Defender, der 68 Jahre lang vom Band lief. Doch nach einigem Hin und Her hatte sich Jaguar Land Rover entschieden, die Produktionswerkzeuge zu vernichten. Der Grenadier (Ineos hatte durchaus Interesse) ist also eine vollständige Neuentwicklung.

Und wer genauer hinsieht, entdeckt, dass man den alten Defender zwar als Inspiration genommen, in entscheidenden Punkten aber ein viel moderneres und auch besseres Auto gebaut hat. Die Scheiben sind größer, die Bleche glatt statt wellig. Doch der Grenadier ist ein Auto geblieben, das sich – im Gegensatz zum neuen Defender – nicht einmal ansatzweise als Lifestyle-Fahrzeug interpretiert.

Deshalb gibt es nur ein Minimum elektronischer Helferlein, zum Beispiel keine kamerabasierte „gläserne Motorhaube“, dafür aber klare Formen und eine Karosserie, die sehr gut einsehbar ist, viel besser übrigens als beim alten Defender mit seinen kleinen Fenstern und der merkwürdigen Sitzposition.

Zu wissen, wo das Auto beginnt und aufhört, ist in Morecambe Bay nützlich. Denn hier wechselt sich relativ feste Oberfläche mit weichem, schlammigem Untergrund ab, und es gibt auch tückischen Treibsand, den man an der fluiden Oberfläche erkennt. Wenn der Wagen leicht einsinkt, darf man auf keinen Fall stehenbleiben, sondern sollte mit Gefühl auf dem Gas bleiben. Steckt man erst einmal fest, muss man von geeignetem Gerät herausgezogen werden. Und zwar bevor die Irische See machtvoll zurückkehrt. Bei Springtide liegt der Tidenhub bei über 10 Metern.

Noch hat sich das Wasser zurückgezogen. Der Fahrer greift in ein griffiges Zweispeichenlenkrad, direkt davor sitzt nur eine kleine Anzeige mit Kontrolleuchten, alle wichtigen Informationen sind auf einem berührungsempfindlichen Bildschirm oberhalb der Mittelkonsole abgebildet. Weil dieser Monitor nicht mit Handschuhen bedient werden kann, können die wichtigsten Befehle auch zentral per Knopfdruck und Dreh-Drücksteller erteilt werden. Die zentrale Mittelkonsole und die Dachkonsole sind mit kantigen Elementen puristisch gestaltet. Das alles passt gut, allerdings wären zusätzliche Ablagemöglichkeiten sehr zu begrüßen.

Nur der Wählhebel für den ZF-8HP-Automaten passt nicht in das Ensemble: Der sportlich geschwungene Knüppel wurde aus Kostengründen direkt von BMW übernommen. Geländeuntersetzung und die Zentralsperre werden hingegen mit einem klassischen Hebel aktiviert, die Zusatzsperren vorn und hinten per Knopfdruck.

Nicht nur das Getriebe entspricht aktuellen BMW-Modellen, sondern auch das Motorenangebot: Der Grenadier ist wahlweise mit einem 3,0-Liter-Reihensechszylinder-Ottomotor oder einem gleich großen Dieselmotor bajuwarischer Provenienz ausgerüstet. Der B58-Ottomotor erzeugt 286 PS und 450 Nm Drehmoment, der B57-Diesel kann mit 249 PS und 550 Nm aufwarten. Der Spurt von 0 auf 100 km/h dauert beim Benziner 8,6 und beim Diesel 9,9 Sekunden, die Spitze ist jeweils bei 160 km/h abgeregelt, die Anhängelast liegt mit beiden Motoren bei stolzen 3,5 Tonnen. Beim Verbrauch sind die Unterschiede erheblich: Der Zyklusverbrauch liegt beim Ottomotor bei 14,4 Litern pro 100 Kilometer, beim Diesel nur bei 10,9 Litern.

Wie fühlen sich die Motoren an? Zwar klingt der Benziner seidiger, der Diesel überkompensiert jedoch mit fülligerem Drehmoment, deutlich niedrigerem Verbrauch und größerer Reichweite. Trotzdem rechnet Ineos für Deutschland mit einem 50:50-Split bei den Bestellungen. Erklären lässt sich das nur mit einer teilweise ins Irrationale abkippenden Skepsis gegenüber dem Selbstzünder; man befürchtet offenbar Fahrverbote durch aktionistische Bürgermeister, obwohl der Diesel lokal längst praktisch emissionsfrei unterwegs ist.

Für derartige Überlegungen ist in Morecambe Bay jedoch gerade kein Raum, denn wir nähern uns der heikelsten Stelle der Überfahrt. Bis hier haben Lorbeerzweige die Piste grob abgesteckt, jetzt gelangen wir zum „Fluss“: Der vorausfahrende Traktor ist den breiten Priel bereits mehrfach durchfahren, noch steht das Wasser zu tief. Die Wattiefe liegt bei 80 Zentimetern, natürlich sind unsere Autos mit Schnorchel ausgerüstet und können deutlich tiefere Gewässer durchfahren. Aber hier darf nichts schiefgehen.

Wir warten ab, stehen noch auf einer festen Sandbank, klettern für Fotos aufs Dach. Das ist auf erhebliche Belastungen ausgelegt. Übrigens liegen dort oben auch bereits Stromanschlüsse für Zusatzelemente wie Suchscheinwerfer. Der Ineos Grenadier ist als „Open-Source“-Fahrzeug ausgelegt, das sich modular erweitern lässt.

Schließlich erhalten wir grünes Licht. Die Gruppe sticht ins Wasser, es schwappt hoch, wir müssen stoisch das Tempo halten. Es klappt, die Traktion ist hervorragend. Über das Lenkrad gibt nur vage Rückmeldung über den Untergrund, was im Wattenmeer wenig überraschen kann. Problematischer finden wir, dass die Kommunikationsfreudigkeit der von Bosch zugelieferten Kugelumlauflenkung auch auf Asphalt nur unwesentlich zunimmt. Zudem fehlt es ihr völlig an Rückstellmoment. Beim schlammigen Anstieg am Südufer spielt das jedoch keine Rolle. Alle kommen durch, oben werden Rahmen und Karosserie direkt abgekärchert, damit die Salzwasserdurchfahrt folgenlos bleibt.

Auf befestigter Straße fährt sich der Ineos Grenadier - von der schwammigen Lenkung abgesehen - überraschend gut. Das Fahrverhalten ist gutmütig, der Grenzbereich kündigt sich früh an, die Verarbeitungsqualität überzeugt auf Anhieb. Aber das ist auch kein Wunder. Denn Ineos ist kein übliches Start-Up-Unternehmen, mit heißer Nadel gestrickt, sondern ein milliardenschweres petrochemisches Konglomerat. Firmenchef und -gründer Jim Ratcliffe persönlich steht hinter dem Grenadier-Projekt.

Gebaut wird der Geländewagen im ehemaligen Smart-Werk im lothringischen Hambach, das jetzt Ineos gehört, und die Entwicklung wurde nicht unwesentlich von Magna Steyr in Graz übernommen. Sicheren Quellen zufolge glänzt der Grenadier am Hausberg Schöckl genauso wie das legendäre G-Modell von Mercedes-Benz.

Wir haben die Herausforderung geschafft, für Ineos kommt die größte noch: Das enorme Interesse an diesem Fahrzeug in nachhaltigen Erfolg umzuwandeln. Das könnte funktionieren, denn es gibt nicht viele Konkurrenten: Das G-Modell von Mercedes-Benz kostet doppelt so viel, der Nissan Patrol ist in Europa verschwunden, der Land Rover Defender ist vielleicht zu elegant geworden, nur noch der Toyota Land Cruiser verfolgt ein ähnliches Konzept.

Die Preise für den Ineos Grenadier beginnen bei äußerst fairen 65.890 Euro für die Nutzfahrzeug-Variante, die es mit zwei oder fünf Sitzen gibt; die komplett ausgestatteten Modelle Trailmaster und Fieldmaster kosten jeweils 75.230 Euro, wobei die Preise für Benziner und Diesel jeweils identisch sind.

Daten Ineos Grenadier Diesel

Länge x Breite x Höhe (m): 4,90 x 1,93 x 2,05
Radstand (m): 2,92
Antrieb: Turbodiesel, 2993 ccm, AWD, 8-Stufen-Automatik
Gesamtleistung: 183 kW/249 PS bei 3250–4000 U/min
Max. Drehmoment: 550 Nm bei 1250–3000 U/min
Höchstgeschwindigkeit: 160 km/h (abgeregelt)
Beschleunigung 0 auf 100 km/h: 9,9 Sek.
WLTP-Durchschnittsverbrauch: 10,9 l
CO2-Emissionen: 286 g/km
Leergewicht / Zuladung: 2704 kg / 796 kg
Kofferraumvolumen: max. 2088 Liter
Max. Anhängelast: 3500 kg
Basispreis: 65.890 Euro

(Quelle: Auto-Medienportal ampnet)

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