11. Juli 2024
Fahrbericht GWM Ora 07 GT: Der Solitär unter den Stromern
Seit einem Jahr ist Great Wall in Deutschland vertreten. Rund 1,2 Millionen Fahrzeuge verkauft der Konzern jährlich – nun soll der Ora 07, ein ambitioniert geschwungenes, viertüriges SUV-Coupé, neue Zielgruppen erschließen. Ein Blick auf das Fahrzeug sorgt für Déjà-vus – oder Assoziationen. Von vorn grüßen Porsche und Käfer, von hinten lassen sich Reminiszenzen an Bentley entdecken.
GWMs Vice President Design, Andrew Dyson, der in 14 Jahren bei Opel unter anderem für das Design des Mokka verantwortlich war, ist erst seit 2022 bei Great Wall Motor. Der Engländer war also nicht an der Entwicklung des Ora 07 beteiligt. Dennoch hält er den Ora 07 für „ein wirklich gelungenes Auto“, weil der Wagen ein Original ist. Auf den ersten Blick ist das Äußere etwas gewöhnungsbedürftig, doch mit jedem neuen Blick wirkt er attraktiver auf den Betrachter. 4,87 Meter misst der Ora 07 und ist damit praktisch genauso lang wie sein natürlicher Konkurrent, der Hyundai Ioniq 6. Erstaunlich ist, dass der Ora 07 von derselben GWM-Plattform stammt, auf der auch der 62 Zentimeter kürzere Ora 03, ehemals Funky Cat, gebaut wird.
Dr 07 ist mit 2,13 Tonnen relativ leicht für seine Klasse. Umso mehr fällt ins Gewicht, dass der Wagen sowohl auf dem ambitionierten Rundkurs wie auch im deutschen Alltag äußerst tolerant und gleichzeitig agil reagiert. Die für chinesische Verhältnisse stets streng ausgelegten Sicherheitssysteme wurden zum Glück auf europäische Lässigkeit kalibriert, so dass Kurven entsprechend schwungvoll angegangen werden können. Wenn sich das ESC dann mal meldet, ist es auch Zeit.
Nun ist eine deutsche Landstraße kein Renn-Oval, aber die straff-sportliche, sehr direkt reagierende Lenkung, die Kurventreue und das verzögerungsfreie Bremsverhalten machen den Ora 07 zum distinguierten Reisepartner. Souverän gleitet er durch die Landschaft, die fabelhafte Isolierung erweckt den Eindruck gänzlich lautloser Bewegung, das tadellose Fahrwerk glättet auch rumpelige Straßen zur erschütterungsfreien Fläche.
Auch auf der Autobahn macht der große Ora eine gute Figur. Bei Tacho 187 ist zwar Schluss, aber die ungeheure Sprintstärke der 408 PS bei 680 Newtonmetern Drehmoment machen aus der luxuriösen Reiselimousine auf der Überholspur einen Supersportwagen. Die 4,5 Sekunden von 0 auf 100 km/h sind allerdings nur etwas für Kenner der Materie. Wer derlei physikalische Urgewalten nicht gewohnt ist, dem wird beim Beschleunigen aus dem Stand schnell schwummrig. Aber wie bei jedem gehobenen Elektrofahrzeug geht es beim Ora 07 nicht ums Rasen, sondern um die Reserve. Zu wissen, was man hat – das beruhigt.
So sportlich sich der Ora 07 fahren lässt, so gediegen britisch-italienisch ist sein Interieur. Braunes „Leder“, das täuschend echt wirkt, aber vegan ist, fugenlos akkurate Verarbeitung, gebürstetes Aluminium – das sieht schick aus und ist funktional. Was digital sein muss, findet auf einem recht dezenten Zentralbildschirm statt, über dem Lenkrad prangt ein weiterer Schirm, der aber im klassischen Rundinstrumenten-Design gehalten. Eine schwebende Mittelkonsole mit einem eleganten Becherhalter teilt den vorderen Raum. Das Fahrzeuginnere wird nach oben hin begrenzt von einem riesigen Glasdach. Seitlich umschlossen werden die Passagiere von rahmenlosen Türen. Hinten sitzt es sich bequem mit viel Fußraum – allerdings muss man beim Einsteigen auf den Kopf achten, so niedrig ist das Heck.
Hinter der Klappe finden sich 333 Liter Stauraum. Braucht man mehr, so klappt man die geteilte Rückbank mit einem Klick um und hat 1045 Liter zur Verfügung. Das ist für ein Auto dieser Größe eher unterdurchschnittlich. Der Ora 07 ist dennoch ein gelungenes Auto.
In drei Ausstattungsvarianten ist der 07 in Deutschland zu haben – als Pure und Pro mit je 150 kW (204 PS). Mit Frontantrieb und einen 64 kWh-LFP-Akku soll die Reichweite bei 440 Kilometern liegen. Das Top-Modell GT hat Allradantrieb und einen elektrischen Heckspoiler. Die 86 kWh NMC-Batterie soll für 520 Kilometer Reichweite reichen. Wir verbrauchten im Wechsel City, Landstraße und Autobahn 18,7 kWh, fuhren um die 450 Kilometer und mussten nicht nachladen. Allerdings klingen 43 Minuten Gleichstrom-Ladezeit von 10 auf 80 Prozent nicht gerade nach Schnellladen. Da soll aber für Europa bald nachgebessert werden.
Ab 41.990 Euro ist der Ora Pure zu haben. Den Pro gibt es ab 44.490 Euro – und das von uns getestete Topmodell GT mit Vollausstattung für 54.490 Euro. Das sind Preise, die dem Newcomer am deutschen Markt Rückenwind geben sollen. Entscheidend werden aber die Leasing-Raten sein für diesen echten Solitär auf dem so konform wirkenden Automobilmarkt.
Daten Ora 07 GT
Länge x Breite x Höhe (m): 4,87 x 1,86 x 1,50
Radstand (m): 2,87
Antrieb: Elektrisch, AWD
Leistung: 300 kW / 408 PS
Max. Drehmoment: 680 Nm
Höchstgeschwindigkeit: 180 km/h
Beschleunigung 0 auf 100 km/h: 4,5 Sek.
WLTP-Durchschnittsverbrauch: 17,5 kWh
Normreichweite: 520 km
Ladeleistung: 11 kW AC/ 86 kW DC
Leergewicht / Zuladung: min. 2130 kg / max. 2560 kg
Kofferraumvolumen: 333–1045 Liter
Basispreis: 53.490 Euro
(Quelle: Daniel Killy, cen)