13. April 2023
Praxistest VW Caddy Pan Americana: Abenteuer Hochdachkombi
Darauf muss man auch erstmal kommen: einen nutzwertorientierten Hochdachkombi nach der legendären Verbindungsstraße zwischen Alaska und Feuerland zu benennen. VW tut das mit seinem Caddy „Pan Americana“, der einen Hauch Abenteuer in den Alltag nutzwertorientierter Pragmatiker bringen soll. Nicht dass der allradgetriebene Diesel-Kastenwagen die knapp 26.000 Kilometer nicht locker abreißen könnte. Abenteuerlich wird’s jedoch eher beim Rangieren durch die fehlenden Parksensoren sowie die deftigen Einstiegs- und Aufpreise.
Panamericana – ein Name, der nach Freiheit und Abenteuer ruft. Und VW Caddy – ein Name, der wie kein anderer für Nutzwert, Sachlichkeit und Bodenständigkeit steht. Beides zusammen klingt zunächst wie ein Widerspruch. Und tatsächlich wirkt auch unser „Candy-weißer“ Testwagen mit schwarzer Beplankung an Front, Heck, Seitenschwellern und Radläufen sowie silberfarbenen Seitenleisten, Dachreling und 17-Zoll-Leichtmetallfelgen mehr wie ein hübsches Handwerker-Gefährt im Offroad- und Lifestyle-Look. Um Verwechselungen auszuschließen, hat VW es noch einmal vorne, hinten, an der Seite und im Innenraum drauf geschrieben, dass es sich hier um den „Pan Americana“ handelt.
Der unterscheidet sich von seinen gewöhnlichen Caddy-Kollegen außerdem durch ergonomisch konturierte Frontsitze mit AGR-Zertifizierung, geschmackvoll gestaltete „Pinestripe“-Bezüge, Lederlenkrad, Pedale und Fußablage in Alu-Optik sowie einigen serienmäßigen Features aus der höheren Style-Ausstattung. Unverständlicherweise gehören dazu jedoch weder Parksensoren noch Rückfahrkamera, was uns bei diversen Rangiermanövern beinahe den einen oder anderen Ditscher eingebrockt hätte. Denn auch wenn die quaderförmige Statur des 4,50 Meter langen, 1,86 Meter breiten und 1,82 Meter hohen Kastenwagens nach einiger Übung immer besser abzuschätzen ist, in hektischen Situationen besteht so ganz ohne akustisches oder optisches Feedback große Rempler-Gefahr.
Den Pan-Americana-Caddy gibt es nur in der Karosserielänge L1 mit kurzem Radstand. Das Platzangebot ist dennoch verschwenderisch geräumig, Bein- und Kopffreiheit auch in der zweiten Sitzreihe üppig, inklusive der beiden Schiebetüren, durch die man diese jederzeit bequem erreichen oder verlassen kann. Sie ist zudem modular als Einzel- und Doppelsitz aufgeteilt und kann mit einfachen Handgriffen separat umgeklappt oder ausgebaut werden – auch wenn sich zu Letzterem einige starke Arme empfehlen. Sind beide Sitzmodule entfernt, schluckt der frei zugängliche Raum hinter den Vordersitzen dachhoch respektable 2556 Liter, womit neben dem üblichen Abstecher zur skandinavischen Möbelhauskette auch kleinere Umzüge möglich werden. Sehr praktisch sind aber auch die vielen Ablage- und Verstaumöglichkeiten, die genügend Raum für den automobilen Kleinkram bieten.
Die Materialauswahl macht einen guten Eindruck. Zwar zeugen einige Hartplastikflächen von der Nutzfahrzeug-Herkunft, doch unterschäumte Instrumententräger, Lederbezüge, Feinschliff in den Details sowie die solide Verarbeitung vermitteln unterm Strich ein ansprechendes Ambiente. Zur Serie gehört ein volldigitales Cockpit sowie ein gut acht Zoll großer Infotainment-Touchscreen, der in unserem Testwagen allerdings durch ein optionales Zehn-Zoll-Display (1273 -2279 Euro) inklusive Sprachbedienung, Internetzugang, Verkehrszeichenerkennung ersetzt wurde.
Womit wir beim Thema wären: Denn trotz Sondermodell-Status hat der Pan Americana, von der Optik einmal angesehen, weder eine besonders exklusive Ausstattung noch Features, die es nicht auch in den regulären Caddy-Versionen geben würde. So teilt er sich ab Werk zwar viele Elemente der Topausführung Style wie etwa die Zwei-Zonen-Klimaautomatik, schlüsselloses Startsystem, Licht- und Regensor, Lederlenkrad und -schalthebel oder die Alu-Pedalerie. Doch viele Fahrassistenten wie ein Abstandstempomat (452 Euro), Verkehrszeichenerkennung (375 Euro) oder eine abnehmbare Anhängerkupplung (1000 Euro) samt Trailer Assist (785-1172 Euro) sind nur gegen ordentliche Aufpreise zu haben. Wie auch die bereits erwähnte Parkhilfe hinten für 476 Euro oder eine Rückfahrkamera, die mit 309 Euro extra zu Buche schlägt. Und das bei einem Einstiegspreis für die Allradversion von 40.817 Euro.
Auch Motoren und Antrieb sind bereits aus den übliche Caddy-Palette bekannt. Unser Testwagen fuhr mit der Topmotorisierung, dem 122 PS (90 kW) starken 2-Liter-Turbodiesel, der kräftig zupackt und mit 320 Nm Drehmoment ab 1600 Umdrehungen schon im Antritt ordentlich Schub aufbaut. Unterstützt wird er dabei vom 4Motion-Allradantrieb, der wie gehabt mit Lamellenkupplung arbeitet und die Kraft stufenlos zwischen den Achsen verteilt. Davon ist im laufenden Betrieb so gut wie nichts zu spüren. Außer vielleicht, dass der Wagen auch rutschige Passagen, Starkregen oder die Abkürzung über Feld- und Waldweg mit Bravour meistert. Allein schweres Gelände sollte man angesichts der unveränderten 14,4 Zentimeter Pkw-Bodenfreiheit besser meiden.
Den 4Motion-Vierradantrieb gibt es jedoch nur mit der manuellen Sechsgangschaltung. Was angesichts der nur für die Fronttriebler vorgesehenen 7-Stufen-DSG vielleicht Einbußen beim Komfort, keineswegs aber bei der Freude am Fahren bedeutet. Denn die Handschaltung ist durchaus knackig und präzise und wird sie flott bedient, sind nach gut zwölf Sekunden Tempo 100 erreicht und wenn es denn sein soll, auch knapp 190 km/h in der Spitze. Aber auch spontane Zwischenspurts oder niedertourige Bummelphasen in der Stadt absolviert der Vierzylinder mit lässiger Bravour.
Wie überhaupt das Fahrverhalten als gelassen und entspannt bezeichnet werden kann. Die verbindliche Lenkung gibt ein gutes Feedback und der Federungskomfort ist trotz hinterer Starrachse ausgewogen, selbst wenn diese bei Frostaufbrüchen oder größeren Querfugen im Asphalt schon mal hör- und spürbar poltert. Dafür schleppt der Wagen locker mehr als eine halbe Tonne Zuladung mit sich herum, hängt sich bis zu 1500 Kilogramm ans Heck und packt noch 100 Kilogramm aufs Dach.
Dazu glänzt er mit vorbildlichen, weil nahezu realistischen Verbrauchswerten. Im besten Fall soll sich der Pan Americana nach Norm schlanke 5,4 Liter im kombinierten Mix genehmigen. Mit gleichmäßiger und vorausschauender Fahrt über Landstraße und Autobahn konnten wir die sogar zeitweilig mit knapp fünf Litern unterbieten. Im kombinierten Mix aus Stadt und Land pendelte sich der Verbrauch nach zwei Wochen im Test bei 6,2 Litern ein. Mit dem 50-Liter-Tank sind damit über 800 Kilometer möglich – für eine echte Panamericana-Tour zwar immer noch zu wenig, aber es reduziert die Tankstopps doch beträchtlich.
Daten VW Caddy Pan Americana 2,0 TDI 4Motion
Länge x Breite x Höhe (m): 4,50 x 1,86 x 1,83
Radstand (m): 2,76
Antrieb: Vierzylinder-Turbodiesel, 1968 ccm, Allradantrieb, 6-Gang-Schaltung
Leistung: 90 kW / 122 PS
Max. Drehmoment: 320 Nm
Höchstgeschwindigkeit: 187 km/h
Beschleunigung 0 auf 100 km/h: 12,1 Sek.
Energieverbrauch (WLTP): 5,4-5,7 l
CO2-Emissionen (WLTP): 141-148 g/km
Abgasnorm: Euro 6d-ISC-FCM
Leergewicht (EU)/ Zuladung: min. 1792 kg / max. 508 kg
Kofferraumvolumen: 1213-2556 Liter
Basispreis: 40.817Euro
(Quelle: Auto-Medienportal ampnet)