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07. Juni 2021

Praxistest Toyota Yaris GR Four: Der Zweitwagen für den Profi

Am Diesel experimentieren sie nicht mehr, Hybrid- und Wasserstofftechnik ist die Antwort auf die Nachfrage nach immer sparsameren und umweltfreundlichen Fahrzeugen bei Toyota. So werden alte Rallye-Legenden wie der Celica GT Four von den Fans längst abgeschrieben. Doch dann passiert schier Unglaubliches: Erst erblickt ein neuer Supra in Zusammenarbeit mit BMW das Licht der Showrooms, und seit Kurzem gar ein Homologationsfahrzeug für die FIA-Rallyeweltmeisterschaft: der Yaris GR Four.

Wie breit kann ein Kleinwagen eigentlich sein? Nun, 1,81 Meter ohne Außenspiegel dürften genug sein. Den Riesenwuchs hat Toyota nicht etwa einem Satz Spurplatten zu verdanken, die Japaner gehen bei ihrem Homologationsmodell viel weiter. So steht der Yaris GR Four auf einer einzigartigen Plattform, die vorn das A-Segment mit McPherson-Federbeinen und hinten das B-Segment mit einer Doppelquerlenkerachse vereint. Im auf 25.000 Einheiten limitierten Homologationsmodell verschmelzen Yaris und Corolla zu einer Einheit. Mit permanentem Allradantrieb und Torsen-Differentialen an beiden Antriebsachsen (Performance-Paket) ist der kleine Japaner nicht zu stoppen.

Im Alltag macht der Yaris GR Four trotz seines Sensationscharakters mürbe. Der Innenraum versprüht den Charme eines Hochdachkombis von PSA, die Materialien sind kratzempfindlich und wenig ansprechend gestaltet. Lediglich in den Türen und bei den Sitzbezügen ist Alcantara zu entdecken, ansonsten wird die DNA ausschließlich durch GR-Embleme hergestellt. Romantik? Fehlanzeige. Der Super-Yaris ist ein reines Technikprodukt für Puristen, Rennsportler und Motorsportenthusiasten. Bei einem solchen Konzept ist weniger bekanntlich mehr. So erklärt sich auch das Leergewicht von 1280 Kilogramm, das trotz Allradantrieb und mehr Stauraum nur 100 Kilogramm höher als das eines Abarth 595 Competizione ausfällt.

Wie viel PS traut man ihm zu?

Denn Gazoo Racing (GR) veränderte den Yaris so weitreichend, dass er mit seinem Urmodell nur noch wenig gemeinsam hat. Die Motorhaube, die Türen und die Heckklappe sind federleicht aus Aluminium gefertigt, das Dach aus Carbonfaser und die Schürzen vorne und hinten sind so dünn dass man sie schon mit einem leichten Klopfer in volle Schwingung versetzt. Die Hutablage erinnert an ein Windschott und ist in etwa so leicht wie eine Tüte Chips. Wer im Yaris Komfort sucht, darf gleich wieder aussteigen. Bei Gaswegnahme vibriert der Kleine manchmal so stark, dass der Innenspiegel lebendig wird.

Zugetraut werden dem Yaris GR Four von Laien im Schnitt 160 PS, tatsächlich stürmen aber 261 Pferdchen aus einem aufgeladenen Dreizylinder in den Antriebsstrang. Satte 360 Newtonmeter Drehmoment sorgen für souveräne Fahrleistungen: In 5,5 Sekunden spurtet der Bruce Lee unter den Kleinwagen auf Tempo 100 km/h, bei 230 km/h wird der Vortrieb aufgrund des kurzen Radstands von nur 2,56 Metern künstlich limitiert. Das ernüchtert den Datenfanatiker, zeigt aber auch, dass der Kleine nicht unbedingt für die Autobahn entwickelt wurde.

Hier rumort der Dreizylinder auf Kommando mit bissigem Vibrato und will sofort mit Gasbefehlen gefüttert werden. Für Grobmotoriker ist der Yaris GR Four gar nichts, im Stadtverkehr rumpelt und stottert sich der 08/15-Autofahrer nur durch die Gänge. Dabei sind Kupplung und Schwungmasse noch zivil ausgefallen. Doch 360 Newtonmeter wollen entweder mit voller Kraft oder in sanfter Marnier durch die Schaltkulisse geführt werden. Dreht der Motor auf 4000 Touren folgt der Genickschlag auf dem Fuß, und hinter der dünnen Heckklappe fauchen die Endrohre wie Raubkatzen aus Las Vegas. Bei 6500 Umdrehungen wird in die nächste Schubstufe gekuppelt.

Ritt auf der Kanonenkugel

Das Sechs-Gang-Schaltgetriebe ist kurz übersetzt und lädt zu einer ekstatischen Schaltorgie ein, die nicht selten durch einen geschockten Blick auf die Messinstrumente gestoppt wird. „Ritt auf der Kanonenkugel" – gerne bauen Automobiljournalisten diese Metapher bei Berichten über schnelle Kleinwagen ein. Hier stimmt es dann auch endlich mal. Die nahtlose Traktion des Allradantriebs, das willige Einlenken der Vorderachse und das bewegliche Heck liefern eine Vorstellung ab, die man so nur aus dem Rennsport kennt: Rundstrecke, Rennslalom, Rallye, Bergrennen – den kleinen Wilden wird man in Zukunft häufig bei Motorsportveranstaltungen sehen.

Um den Spaß noch größer zu machen, gibt Toyota dem Fahrer drei Fahrprogramme an die Hand. Der normale Modus erklärt sich von selbst. Hier nehmen die Japaner das Ansprechverhalten etwas raus und ermöglichen einen Durchschnittsverbrauch von knapp über neun Litern. Der Sportmodus offeriert eine Antriebsverteilung von 30:70 und eignet sich besonders für rutschigen Untergrund und enge Kehren. Kleine Drifts sind mit dem Yaris GR Four dann zwar möglich, erfordern aber schnellere Reflexe als beim GT86 oder Supra.

Der Track-Modus füttert die Vorder- und Hinterachse gleichmäßig mit Drehmoment und ist erste Wahl für schnelle Zeiten auf der Rennstrecke. Einen 911 Turbo frisst der Yaris in engen Serpentinen zum Frühstück – auch dank der bissigen Verzögerung der Festkolbenbremssättel, die zweiteilige wärmebehandelte und geschlitzte Bremsscheiben in die Mangel nehmen (Performance-Paket). 08:15 Minuten fuhr Christian Gebhardt mit unserem Testwagen schon auf der Nordschleife heraus. So erklärt sich auch die zickige Synchronisierung im dritten Gang.

Der will auf Zug gehalten werden

Auch Gazoo Racing macht nicht jeden Autofahrer gleich zum Rennfahrer. Zwar bietet der Kraftzwerg eine beachtliche Straßenlage mit einem gütigen Fahrwerk, das Unebenheiten gekonnt rausfiltert. Doch der hohe Grenzbereich auf dem Teer und die damit verbundenen Kurvengeschwindigkeiten strafen zeterige Gemüter ab. Wer den Rallyewagen mit Straßenzulassung auf trockenem Belag nicht ordentlich auf Zug hält und das Lenkrad besonnen führt, kann ihn schon am nächsten Baum zum modernen Kunstwerk umgestalten.

Der punktgenau mechanisch dosierte Allradantrieb täuscht leicht über den kurzen Radstand von 2,56 Metern hinweg und verführt zum Tieffliegen. Wenn bei 100 km/h das Heck kommt, findet darauf aber nur eine Handvoll Fahrer die treffende Antwort. Das sportlich abgestimmte ESP darf deshalb immer eingeschaltet bleiben. In Erscheinung tritt es ohnehin nur bei groben Fahrfehlern oder Manövern, die man besser den Profis auf abgesperrtem Gelände überlassen hätte.

Fazit: Beim Yaris GR sammeln sich die Fliegen auch an Achse zwei. Kein anderer Hersteller bietet ein ähnlich kompromissloses Fahrzeug in dieser Preisklasse, kein anderer Hersteller fährt seinen stärksten Sportwagen zwei Jahre später mit einem Kleinwagen-Breitbau querdynamisch in Grund und Boden. Abstriche macht der Käufer selbstredend im Innenraum und beim Sitzkomfort. Der limitierte Rallyezwerg ist ein reiner Zweitwagen für Profis. 

Daten Toyota Yaris GR Four
Länge x Breite x Höhe (m): 3,99 x 1,81 x 1,45
Radstand (m): 2,56
Motor: R3-Benziner, 1618 ccm, Turbo
Leistung: 261 PS (192 kW) bei 6500 U/min
Max. Drehmoment: 360 Nm bei 3000 – 4600 U/min
Höchstgeschwindigkeit: 230 km/h (abgeregelt)
Beschleunigung 0 auf 100 km/h: 5,5 Sek.
Durchschnittsverbrauch (Normal): 9,5 Liter
Durchschnitssverbrauch (Sport / Track): 13 Liter
CO2-Emissionen: 186 g/km
Leergewicht / Zuladung: min. 1280 kg / max. 365 kg
Kofferraumvolumen: 174 Liter
Luftwiderstandsbeiwert: 0,35
Basispreis: 33.200 Euro
Testwagen: 37.690 Euro (Performance-Paket)

(Quelle: Auto-Medienportal ampnet)

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