09. November 2021
Praxistest Toyota Hilux Invincible: Auf den Spuren einer Legende
Pick-ups kommen und gehen, aber auf eine Konstante kann man sich verlassen: Der Toyota Hilux bleibt und das seit mittlerweile 53 Jahren. Mit der Modellüberarbeitung im vergangenen Jahr ist eine Version dazu gekommen, deren Name so gar nicht zu japanischen Tugenden wie Zurückhaltung und Bescheidenheit passen will: der „Unbesiegbare“.
Robustheit vor allem, Geländetauglichkeit, dazu Pkw-nahe Komfort- und Sicherheitsausstattung: Das sollen die Merkmale des neuen Topmodells der Hilux-Baureihe sein. „Invincible“ hat ihn Toyota getauft und der Name weckt Erinnerungen an einen legendären TV-Auftritt des Pick-ups. Mit Feuer, Wasser, Abrissbirne und Sprengstoff hatte 2010 ein BBC-Team vergeblich versucht, einem Hilux den Garaus zu machen, aber der schwer demolierte Wagen rollte schließlich doch aus eigener Kraft ins Fernsehstudio. In dieser Spur fährt auch das aktuelle Modell.
Dem optisch aufgefrischten Pritschenlader mit Doppelkabine würde man so etwas heute wohl nicht antun. Zu schade wäre es um die Lederpolster, die gediegene Möblierung mit Teppichboden und das edle JBL-Soundsystem. Auch um Kamera- und Radareinrichtungen wäre zu trauern, denn der Hilux hat sich längst vom Dasein des grobschlächtigen Nutzfahrzeugs und Lastesels emanzipiert. Er bietet seinen Passagieren limousinenartigen Komfort bei gleichzeitiger hoher Zuladung und ernst zu nehmenden Offroad-Eigenschaften. Eine nicht behebbare Schwäche ist allerdings, dass er kaum in einer Normgarage unterzubringen ist.
Der neue Dieselmotor hat 2,8 Liter Hubraum, doppelt so viel wie der Urahn anno 1968. Stolze 500 Newtonmeter Drehmoment wirken im Normalfall auf die Hinterachse, was in unbeladenem Zustand auf rutschigem Untergrund durchaus mal die Traktionsregelung auf den Plan rufen kann. Abhilfe verspricht aber ein etwas versteckt sitzender Drehknopf im unteren Teil der Mittelkonsole. Dort findet sich der Wahlschalter für die Aktivierung des Allradantriebs. Der permanente 4x4-Antrieb kann durch die Einstellung „4L“ auf Geländeuntersetzung eingestellt werden. Außerdem können dort unten die Differenzialsperre für die Hinterachse und die Sitzheizung aktiviert werden.
An der Hinterachse sind konventionelle Blattfedern eingebaut, die zwar viel tragen, aber auch bei Lastfreiheit für etwas Unruhe in der Karosse sorgen können. Die Vorderradaufhängung übernehmen Doppelquerlenker. Zu den besonderen Merkmalen der Invincible-Ausstattung gehören LED-Haupt- und Nebelscheinwerfer, Klimaautomatik, 18-Zoll-Leichtmetallfelgen mit grobstolliger „Highway-Terrain“-Bereifung und Anhänger-Stabilisierungskontrolle. Nicht verzichten muss man auf Assistenzsysteme wie im Pkw. Einparkhilfe vorn und hinten, Rückfahrkamera, Front-Kollisionswarnung, Radfahrererkennung, adaptiver Tempomat und automatische Scheinwerfer-Höhenverstellung – alles drin. Wer beim Anhalten die Bremse nur leicht berührt, bekommt im Display einen freundlichen Hinweis „stärker bremsen“, um die Start-Stopp-Automatik zu aktivieren. Der markante, schwarz lackierte Überrollbügel und das Abdeckungsrollo für den Laderaum sind beim Unbesiegbaren kostenpflichtige Extras.
Gewünscht hätte man sich Gasdruckfedern zum Stemmen der schweren Motorhaube, die gibt’s aber leider nicht. Dafür allerdings insgesamt acht stabile Bügelgriffe an A- und B-Säule, die den Passagieren das Erklimmen der Kabine erleichtern. Der Hilux ist nämlich nicht nur 5,33 Meter lang, sondern die Polster der Sitze auch in fast einem Meter Höhe gelegen, so dass Personen minderer Körpergröße diese Hilfe gern in Anspruch nehmen. Vorn und hinten bietet die Kabine eine Breite von 1,43 Metern, ausreichend Bewegungsfreiheit ist also garantiert. Dies gilt auch für den Knieraum in der zweiten Reihe.
Auf der Strecke überrascht der Lieblingslaster von Untergrundkämpfern und Freischärlern mit ordentlichen Manieren. Selbst das Abrollgeräusch der groben Pneus ist so gering, dass bei 100 km/h im Innenraum nur 60 Dezibel gemessen werden können. Das meiste davon verursacht der Fahrtwind, denn eine besonders aerodynamische Karosse zu bauen, war nicht Entwicklungsziel.
Bei Landstraßentempo dreht der Vierzylinder gerade mal 1700 Touren, was außerdem zu den geringen Schallemissionen beiträgt. Abseits der Straße verhält sich der Pick-up ebenfalls genügsam, die Überhänge sind kurz und die Bodenfreiheit groß genug, um die Ladung Brennholz und die Feldsteine für die Gartendeko dort einzusammeln, wo man mit dem Pkw nicht hinkommt. Der Böschungswinkel beträgt vorn 29, hinten 26 Grad. Bei ausreichend festem Untergrund watet der Hilux durch 70 Zentimeter tiefe Bachfurten. Maximal 3,5 Tonnen Anhängelast machen ihn zu einer veritablen Zugmaschine.
Federn und Dämpfer sorgen für einen ausgewogenen Fahrkomfort, doch vergisst man trotz Lederpolsterung und anderer Annehmlichkeiten nie, dass man in einem Nutzfahrzeug unterwegs ist. Die Lenkung ist nicht ganz so direkt, wie sie sein könnte, und das Manövrieren kann bei mehr als zwölf Metern Wendekreis zur Herausforderung werden. Satte 2300 Kilogramm zeigte die Waage beim Testfahrzeug an. Mit der möglichen Tonne Zuladung ist also eine ganz ordentliche Masse unterwegs, die zuverlässig im Zaum gehalten werden will. Das hohe Gewicht und die geringe Windschlüpfrigkeit sind es am Ende, die den Hilux das Ziel des offiziellen Verbrauchswert verfehlen lassen. Jedoch sind 8,8 Liter (statt offiziell 7,4) je 100 Kilometer durchaus akzeptabel.
Fazit: Warum der Hilux so ein internationaler Dauerläufer geworden ist, erschließt sich nach wenigen Kilometern Fahrt. Robust und unkompliziert, vielseitig und tadellos auch im Gelände kann der Pick-up Punkte sammeln. Als Topmodell Invincible wächst ihm noch ein gerütteltes Maß an Komfort zu, das freilich auch seinen Preis hat.
Daten Toyota Hilux Invincible
Länge x Breite x Höhe (m): 5,33 x 1,90 x 1,81
Radstand (m): 3,08
Motor: R4-Diesel, 2775 ccm, Turbo, Direkteinspritzung
Leistung: 204 PS (150 kW) bei 3400 U/min
Max. Drehmoment: 500 Nm bei 1600-2800 U/min
Höchstgeschwindigkeit: 175 km/h
Beschleunigung 0 auf 100 km/h: 10,7 Sek.
NEFZ-Durchschnittsverbrauch: 7,4 Liter
Testverbrauch: 8,8 Liter
CO2-Emissionen: 194 g/km (Euro 6d-ISC)
Leergewicht Testwagen: 2300 kg / Zuladung 1060 kg
Max. Anhängelast: 3500 kg
Bereifung: 265/60R 18
Basispreis: 50.777 Euro
Testwagenpreis: 57.564 Euro
(Quelle: Auto-Medienportal ampnet)