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01. Januar 2024

Praxistest Nio EL 7: Wilderei im Premium-Gehege

Für enorme Beschleunigungskräfte sind Elektroautos längst bekannt, doch das Tempo der chinesischen Marke Nio steht dem kaum nach: Binnen eines Jahres kamen fünf Modelle auf den Markt, eines davon ist das große SUV EL 7. Die Fünf-Meter-Marke knackt er nicht ganz, aber der Fernost-Fünftürer ist dennoch ein veritables Dickschiff. Nicht zuletzt wegen seines Gewichts: Fast 2,5 Tonnen bringt er auf die Waage, dazu ist er fast zwei Meter breit und 1,72 Meter hoch. Im elektrischen Premium-Gehege soll er wildern, wenn möglich den deutschen Platzhirschen ein paar Kunden abjagen. Das kann nur klappen, wenn nicht nur Leistung und Qualität stimmen, sondern auch der Preis.

Das Unternehmen Nio, das sich selbst als Start-up sieht und ein Marken-Image erst noch aufbauen muss, kann zwar durchaus mit vergleichsweise günstigen Listenpreisen locken. Aber für die anvisierte Kundschaft, die in der Regel mit gewerblichen Zulassungen fährt, ist jedoch die Leasingrate eine entscheidende Größe. Und die unterscheiden sich bei Nio nur wenig von Vergleichsangeboten anderer Hersteller. Der Grund: Die Restwert-Prognosen sind niedrig, weil es an zuverlässigen Daten über Akzeptanz, Dauerhaftigkeit und möglichen Reparaturkosten der Produkte fehlt.

Reduziertes Cockpit-Ambiente

Zwar mögen deutsche Nobelhersteller chinesische Anbieter noch als nicht satisfaktionsfähig ansehen, aber die Geschichte lehrt, dass Herrscher Herausforderer gern mal zum eigenen Nachteil unterschätzen. Die Optik der Nio-Fahrzeuge erscheint zwar etwas uniform, doch die Ähnlichkeit verschiedener Modelle, insbesondere der Frontgestaltung, dient dem Wiedererkennungswert. Mit der Innenarchitektur ist es genauso. Dort gibt es eine reduzierte Zahl von Bedienelementen im Cockpit, mit mehreren Funktionen gleichzeitig belegte Schalter und Tasten und einen etwa DIN-A4-großen Zentralbildschirm mit Touchscreen für die Steuerung der meisten Funktionen. Und dann ist da noch Nomi, die stets lächelnde und lernbegierige virtuelle Begleiterin, die per Sprachbefehl gern Klimasteuerung, Senderwahl, Zieleingabe und andere Dinge übernimmt.

Die Platzverhältnisse können nicht anders als üppig bezeichnet werden. Fast drei Meter Radstand sorgen für viel Beinfreiheit in der zweiten Reihe, vorn haben die Passagiere zwischen den Türverkleidungen 1,55 Meter Platz, hinten – wo es ebenfalls verstellbare Lehnen gibt – sind es immerhin noch 1,51 Meter. Ein besonderer Clou ist der Beifahrersitz, der sich mittels ausfahrbarer Unterschenkel- und Fußauflage in einen Schlafsessel verwandeln lässt, der jedem Privatjet zur Ehre gereichen würde. Die Ladekante ist mit 79 Zentimetern durchschnittlich hoch, hinter ihr steht ein Volumen von 570 bis 1545 Litern zur Verfügung. So schmuck es in der Kabine auch zugeht, so edel das Ambiente wirkt, blieb doch eines nicht verborgen: Trotz Luftfederung machten sich auf Kopfsteinpflaster und ähnlich schlechtem Geläuf beim Testwagen wiederholt Knarr- und Knirschgeräusche bemerkbar, die darauf schließen lassen, dass hinsichtlich der Verarbeitungsqualität noch Luft nach oben herrscht.

All-Inklusive-Strategie

Was die Ausstattungsdetails angeht, verfolgt Nio eine All-Inklusiv-Strategie. Fast alles, was das Autofahren sicher und komfortabel macht, ist ab Werk an Bord, die Optionsliste entsprechend kurz. Aufpreispflichtig sind zum Beispiel nur bestimmte Lackfarben und beheizbare Wischerblätter. Belüftete Massagesitze vorn oder 21-Zoll-Alufelgen für die 100-kWh-Version, Panorama-Glasschiebedach oder Wärmepumpe – alles gehört zum üblichen Lieferumfang. Ebenso wie Nomi, die allerdings zuweilen einen gewisse Übereifrigkeit an den Tag legt und Ordnungsrufe wie „Bleiben Sie konzentriert“ absondert, wenn die lenkende Person lediglich einen Blick auf den Zentralmonitor riskiert.

Es empfiehlt sich in jedem Fall, etwas Zeit für das Erlernen der vielfältigen Steuerungs-, Kontroll- und Sicherheitsfunktionen aufzuwenden, denn in den zahlreichen Untermenüs sind auch mögliche Fallen versteckt. Beim Punkt „Fenster und Türen“ (wo man auch die Ladeklappen-Taste findet) sollte jeder, der dazu neigt, den Fahrzeugschlüssel auf der Mittelkonsole abzulegen, die Funktionen „Türgriffe einklappen“ und „Verriegeln beim Weggehen“ außer Kraft setzen. Andernfalls kann es passieren, dass der EL 7 nach kurzem Aussteigen die Türen selbsttätig abschließt und eine Online-Entriegelung per Smartphone-App notwendig wird.

Die technische Basis und das Antriebssystem hat der EL 7 von der Limousine ET 7 geerbt, was zwei Elektromotoren, Allradantrieb und herzhafte 480 kW Leistung bedeutet. Also saftige 653 Pferdestärken, die dank 850 Newtonmetern Drehmoment für einen Standardsprint in unter vier Sekunden sorgen können. Braucht zwar kein Mensch, doch im Autoquartett sticht sowas immer noch gut. Interessanter erscheinen da die Lade- und Verbrauchswerte, die sich sehen lassen können. Mit der 100 kWh-Batterie verspricht der Hersteller 509 Kilometer maximale Reichweite (nach WLTP), unser Testwagen errechnete mit vollem Akku immerhin 486 Kilometer. Der gemessene Durchschnittsverbrauch von 22,3 kWh/100 km ist angesichts der bewegten Massen sehr respektabel.

500 km Reichweite in fünf Minuten

Dank Hochvolt-Technik können binnen zehn Minuten an der Schnellladesäule 150 Kilometer Reichweite gewonnen werden – protokolliert an einer 300-kW-Säule. Doch auch 500 Kilometer in fünf Minuten sind möglich. Das ist kein Hexenwerk, sondern Ergebnis eines kompletten Batterietausches, der vollautomatisch an so genannten Power-Swap-Stations (PSS) vorgenommen werden kann. Nur ist die Netzdichte solcher Wechselstationen noch nicht auf dem Niveau, dass der Ablauf mit vertretbarem Aufwand hätte getestet werden können. Nio will noch weiter hinaus: Gerade hat ein ET-7-Prototyp mit einem 150-kWh-CTP-Akku mehr als 1000 Kilometer ohne Nachladen geschafft.

Das Fahren selbst ist im EL 7 von Ruhe und Entspanntheit geprägt. Bei 100 km/h auf gutem Straßenbelag können in der Kabine kaum mehr als 61 dB(A) gemessen werden. Zwar fühlt sich die Lenkung etwas synthetisch an, lässt aber beim Rangieren keine Präzision vermissen. Die Höhe des Aufbaus ist für die leichte Wankneigung verantwortlich, die mit schnellen Lenkbewegungen ausgelöst werden kann. Die Übersichtlichkeit ist gut, B- und C-Säulen stören beim Schulterblick nur wenig. Die Fahrmodi zwischen ökonomisch und Sport plus sind gut gespreizt, außerdem lassen sich Programme für den Betrieb auf Sand, Nässe oder Schnee aktivieren.

Fazit: Es fällt schwer, von den vielen guten Eigenschaften dieses elektrischen Luxus-SUV nicht angetan zu sein. Im Sturm die Garagen einer wohlsituierten Kundschaft zu erobern, wird dennoch nicht ganz einfach, denn die legt auch Wert auf persönliche Betreuung und Service durch den Händler, womit Nio in der Form nicht aufwarten kann. Was Performance und Fahrkultur angeht, brauchen sich die Newcomer aus China aber nicht vor den üblichen Verdächtigen aus der Premium-Liga zu verstecken.

Daten Nio EL 7

Länge x Breite x Höhe (m): 4,91 x 1,99 x 1,72
Radstand (m): 2,96
Antrieb: 2 E-Motoren, AWD, 1-stufiges Reduktionsgetriebe
Leistung: 480 kW / 653 PS
Max. Drehmoment: 850 Nm
Höchstgeschwindigkeit: 200 km/h
Beschleunigung 0 auf 100 km/h: 3,9 Sek.
Energieverbrauch (WLTP): 21,6 kWh
Testverbrauch: 22,3 kWh
CO2-Emissionen (WLTP): 0 g/km
Batteriegröße: 100 kWh
Reichweite (WLTP): max. 509 km
Leergewicht / Zuladung: 2440 kg / 524 kg
Kofferraumvolumen: 570 - 1545 Liter
cw-Wert: 0,26
Basispreis: 73.900 Euro (ohne Batterie)
Batteriemiete (100 kWh): 289 Euro/mtl.
Kaufpreis Batterie: 21.000 Euro

(Quelle: Axel F. Busse, cen)

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