24. April 2022
Praxistest Audi RS 3: Versteckspiel mit offenen Karten
Offenheit ist die neue Philosophie in der Schmiede von Audi Sport. Statt biederer Leistungstarnung, wie teils noch in der letzten Dekade gezeigt, gehen die Neuen extrovertiert ins Rennen. Spätestens wenn am A3-Abkömmling der Luftausströmer der Bremsenkühlung aus dem vorderen Kotflügel blitzt, ist klar, dass die Messer in der Küche aus Neckarsulm geschärft wurden. Der Breitbau ermöglicht ohnehin eine größere Spurweite, die der 1645 Kilogramm schwere RS 3 Sportback zum Arbeiten gut gebrauchen kann. Der Ladeluftkühler liegt dank des breiteren Frontgrills schön im Wind.
Innen herrscht für Nutzer von Tasten an Lenkrad und Klimatisierung heimelige Atmosphäre, nur dass Audi das Design im Schnitt schärfer anbietet und durch Kontrastfarben und Materialien Berührungspunkte mit der RS-Markenphilosophie schafft. Auch die Sitze sprechen eine andere Sprache: Deren Seitenhalt, Stabilität und Verarbeitung blitzt im VW-Konzern wie ein Denkmal hervor. Sie sind das traditionellste Element, das Kenner im neuen RS 3 wiederfinden. Das Armaturenbrett ist weiter klar als Audi-Design zu erkennen, strahlt dabei jedoch mehr Dynamik aus. Bei den Luftausströmern haben die Ingolstädter leider die Psychologie vergessen: Unter rotem Uni-Lack sehen die Gravuren auf den Lamellen auf den ersten Blick wie Farbläufer aus. Die Verarbeitung insgesamt hat im Freistaat Bayern derzeit dennoch keine Konkurrenz.
Unter der Haube spielt Audi Sport mit seinem mehrfach preisgekrönten Fünfzylinder-Turbo ein Lied, das Autofans bei der derzeitigen Politik schon verhallen hören. Sich wie Walther Röhrl fühlen, das geht im RS3 noch immer. Auch wenn der Otto-Partikelfilter in der Abgasanlage den gleichen Effekt hat, wie einen Kaugummi in eine Flöte zu stopfen – innen ist das akustische Erlebnis voll wie eh und je. Ab einer Drehzahl von 3500 Umdrehungen in der Minute spult der Turbolader langsam zur Höchstleistung auf und liefert klassischen Turbopunch mit schier unendlicher Drehfreude. Im Vergleich zum Vormodell kann der Neue schon ab 5600 U/min die maximale Leistung bereit stellen, dafür steigt das maximale Drehmoment um 20 Newtonmeter, baut sich aber erst später auf – kurz: Die Abstimmung ist etwas anders.
Um Herr dieser Kräfte zu werden, ist schnelles Denken gefragt. Nach runden 3,9 Sekunden erreichen wir im RS 3 Tempo 100 km/h (Werksangabe: 3,8 Sekunden). Wer die Leistung voll abruft, beschleunigt im Serienzustand bis auf abgeregelte 250 km/h. In unserem Testwagen waren alle Leinen gelöst (aufpreispflichtig), so lag die Höchstgeschwindigkeit oberhalb der 280 km/h-Marke. Laut Audi Sport sind bis zu 290 km/h möglich.
Diese Leistungsdaten sind es, die die Frage aufkommen lassen, wie viel RS eigentlich sein muss. Subjektiv jedenfalls erzeugt kein RS-Modell mehr Eindruck bei den Insassen. Dementsprechend sind die 60.000 Euro für dieses Fahrvergnügen günstig, wenn man bedenkt, dass für das Geld bereits alle großen RS-Emotionen im Paket stecken. Optimal ist er für diejenigen, die ein standesgemäßes Autobahnkatapult suchen. Für einen waschechten Sportwagen bevormundet das Torque-Split-System, das bis zu 100 Prozent der Kraft auf ein Rad verteilt, zu sehr. Auch der Neue bleibt damit eher stabil. Das ist bei 400 PS auf 2,63 Meter Radstand vielleicht auch besser.
Als reine Kurvenräuber bieten die Hecktriebler also auch weiterhin mehr Aufregung für den Fahrer. Der Vorteil des RS 3 liegt im Gegenzug in der hohen Fahrsicherheit bei gleichzeitig enormen Fahrleistungen. Wer die Assistenzsysteme ausschaltet, findet hinter dem doppelten Boden ein mehr als gutmütiges Auto für den Trackday oder die Touristenfahrt. Und für den Donut auf dem Parkplatz gibt es nun sogar ein Extra-Programm namens „Torque Rear“, das in ähnlicher Form im VW Golf 8 R zu finden ist.
Auf der Straße hat der RS 3 ohnehin mehr Richtungen als nur die Längsachse zu bieten. Zwar bleibt die Nase ähnlich schwer wie beim Vorgänger – 59 Prozent des Gewichts lagern vorne –, durch eine dynamische Kraftverteilung und eine heckbetontere Abstimmung aber machen Lastwechsel viel mehr Spaß. Zu verdanken hat der RS3 sein gutes Handling unter anderem einem Schnitzer, den sich die Audi-Sportler bei der Abstimmung geleistet haben: Die vorderen Reifen sind 20 Millimeter breiter als die hinteren (265/30 R19 zu 245/35 R19). So werden die trägen Massen an der Vorderachse besser im Zaum gehalten.
Das Fahrwerk bügelt Unebenheiten weg und fällt durch eine sehr geringe Rollneigung positiv auf. Zackige Lastwechsel sind für den Sportler aus Ingolstadt kein Problem mehr, gefühlt sitzt die Drehachse nämlich viel weiter hinten als noch beim Vorgänger. Während unseres Praxistests lagen als Resultat auf unpräpariertem Teer knappe 1,2 G in einer engen Rechtskurve an.
Das alles sind Indizien dafür, dass Audi Sport die Wünsche seiner Kundschaft immer besser versteht. War beim Vorgänger noch der bissige Druckpunkt auf dem Bremspedal ein Ärgernis, gibt der RS 3 seinem Fahrer nun ein breiteres Fenster und dennoch eine starke Bremswirkung, die vom Bordinstrument auf ebener Fläche mit 1,15 G, also mehr als der doppelten Erdanziehungskraft festgehalten wird. Nicht anders verhält sich der Fünfzylinder, wenn er seine vollen 400 PS in den Antriebsstrang trommelt: Dank blitzschnellen Schaltvorgängen und der dynamischen Drehmomentverteilung an der Hinterachse können auch für die Längsachse über 0.9 G abgelesen werden. Der kompakte RS bietet also die Art von Brutalität, die seine Zielgruppe sucht. Sanfter führen die Stuttgarter durchs Getriebe, wilder treiben es die Münchener in den Serpentinen.
Trotz des Feuerwerks unter der Haube gibt sich der Neue genügsam und kann schon mit 8,5 Litern zufriedengestellt werden, ohne dass man sich dafür zu stark verbiegen muss. Wer den RS 3 häufig auf die Landstraße oder die schnell gefahrene Autobahn ausführt, kommt dadurch im Schnitt mit zwölf Litern klar. Das Drehmoment reicht selbst im tiefsten Drehzahlkeller noch aus, um Otto-Normal-Fahrzeuge ins Schwitzen zu bringen. Im Stop-and-Go aber nerven die schier endlos langen Schaltvorgänge. Bei der kräftigen Kupplung sind niedrige Drehzahlen nämlich mit einem längeren Schleifpunkt verbunden. So richtig verstecken kann er seine Kraft einfach nicht.
Fazit: Das neue Außenkleid, die verbesserten Fahreigenschaften und der weiterhin eindrucksstarke Fünfzylinder sind das Rezept für Fahrspaß. Audi Sport hat bewiesen, dass spektakuläre Außenkleider auch auf große innere Werte schließen lassen. Dem RS 3 ist dies so gut gelungen, dass er sich vom getarnten Kraftmeier zum dezenten Traumwagen wandelt. Dass Träume teils hohe Geldsummen zum Eintritt gebieten, wissen freilich auch die Ingolstädter und kreierten unseren Testwagen zum Preis von rund 79.000 Euro. Zwar kostet der RS3 damit fast so viel wie zwei Golf GTI, dafür kann er aber auch fast das Doppelte.
Daten Audi RS 3
Länge x Breite x Höhe (m): 4,39 x 1,85 x 1,44
Radstand (m): 2,63
Antrieb: R5-Benziner, Turbo, 2480 ccm, Allrad, Torque Split, 7-Gang-S-Tronic
Leistung: 294 kW / 400 PS bei 5600–7000 U/min
Max. Drehmoment: 500 Nm bei 2250–5600 U/min
Höchstgeschwindigkeit: 250 (290) km/h
Beschleunigung 0 auf 100 km/h: 3,8 Sek.
Normverbrauch (WLTP): 8,8 Liter
Testverbrauch: 12 Liter
Tankgröße: 55 Liter
CO2-Ausstoß: 190–201 g/km
Abgasnorm: Euro 6d-ISC-FCM
Leergewicht / Zuladung: min. 1645 kg / max. 430 kg
Kofferraumvolumen: 282–1120 Liter
Basispreis: 60.000 Euro
Testwagenpreis: 79.360 Euro
(Quelle: Auto-Medienportal ampnet)