10. Oktober 2022
Neu auf dem Markt: Nio gibt es nur im vierstelligen Abo
Da kommt ein neuer chinesischer Hersteller auf den Markt – und will gar keine Autos verkaufen und verzichtet folgerichtig auf ein eigenes Händlernetz. Die Modelle von Nio gibt es nur im Abonnement, und die liegen dem Premium-Selbstverständnis der Marke entsprechend preislich im vierstelligen Bereich. In Berlin feierte die Marke jetzt ein von den Fans der Marke, von denen bisher niemand eines der drei Modelle bewegen konnte, lautstark umjubeltes Debüt. Die Atmosphäre im Tempodrom erinnerte zeitweise mehr an den Auftritt eines Teeniestars als an die Präsentation einer neuen Automobilmarke.
Nio gehört zum Firmenimperium des Milliardärs William Li, der die Marke im November 2014 gegründet hat. „Ich sah an einem Morgen in den grauen Smog-Himmel, und da wurde mir klar, dass ich etwas für eine saubere Umwelt tun musste“, beschreibt Li seine Beweggründe, Nio zu gründen unter dem tosenden Applaus seiner Anhänger. Das Ergebnis war damals „NextEV“, das vor einigen Jahren dann zu Nio wurde. „Next EV reichte uns nicht, und deshalb schuf ich Nio. Zum Glück war der Name nicht geschützt“, beschreibt Chefdesigner Chris Thomas die Entstehung der neuen Marke. Gleichzeitig schuf er auch das neue Markenzeichen, das die Ausrichtung der Marke symbolisiert. „Wir kennen keine Grenzen, wir wollen neue Welten erschaffen“, so Thomas, der vor seinem Wechsel nach China unter anderem bei BMW, Coca-Cola und dem Flugzeughersteller Gulfstream gearbeitet hat.
„Bei Nio bin ich mit meinem Team seit acht Jahren für alles verantwortlich, vom Autodesign bis zu den Tauschstationen, wo die Nio-Kunden die Batterien wechseln können“, erklärt Thomas. Nicht nur beim Vertrieb gehen die Chinesen ihren eigenen Weg, auch bei der Energieversorgung kommt Nio mit unkonventionellen Lösungen auf den Markt. Zwar lassen sich die Modelle auch an den üblichen Ladestationen mit Strom versorgen, doch eigentlich will die Marke die Kunden davon überzeugen, die Batterien an seinen Stationen zu tauschen. Die Energiespeicher sind so ausgelegt, dass sie geladen, getauscht und aktualisiert werden können.
In China ist das Konzept bereits erfolgreich. „Während der Feiertage haben wir in China rund 40.000 Batterien pro Tag getauscht“, berichtet Fei Shen, Senior Vice President Nio Power. „Der ganze Vorgang dauert weniger als fünf Minuten. In Europa werden wir bis zum Jahr 2025 zusammen mit Investoren mindestens 1000 Tauschstationen einrichten. „Es braucht seine Zeit, um Partner zu finden“, räumt Shen ein. 3000 weitere Stationen werden im gleichen Zeitraum in China entstehen.
In diesem Konzept haben die Kunden zudem die Möglichkeit, die Batterien nach ihren Vorstellungen zu konzipieren. „Wenn jemand die meiste Zeit in der Stadt unterwegs ist“, so Shen, „benötigt er keine große Batterie. Wenn er aber eine längere Strecke fahren will, kann er eine Batterie mit mehr Energie bei der Tauschstation montieren lassen.“ Dass mit dem Unternehmen Better Place vor einigen Jahren dieses Konzept in Europa Schiffbruch erlitt, haben die Nio-Verantwortlichen zur Kenntnis genommen. „Wir haben mit einigen ehemaligen Mitarbeitern von Better Place gesprochen, doch damals war die Zeit noch nicht reif, und außerdem hatten sie keine eigenen Autos“, erklärt Shen.
Anlaufpunkte für die Nio-Gemeinde sind die so genannten Nio Houses, von denen das erste passend zu Präsentation in Berlin seine Tore öffnete. Dort findet der Kunde nicht nur Informationen über die einzelnen Modelle, sondern eine ganze Palette an Produkten mit dem Nio-Markenzeichen. Neben Berlin sind weitere Häuser in Düsseldorf, Hamburg und Frankfurt geplant. In Berlin steht auch die erste Batterietauschstation. Eine weitere bereitet sich in Süddeutschland an der A 8 in Zusmarshausen auf die ersten Kunden vor.
Nio geht in Deutschland mit drei Modellen an den Start, die kurz vor der Berliner Veranstaltung noch ihre Typenbezeichnung ändern mussten. Die in China verwendeten Namen ES7 und ES6 waren Audi zu nahe an S6 und S8. Nio gab nach, und nun rollt in Deutschland das vollelektrische Trio ET7 am 16. Oktober, ET5 im März 2023 und das SUV EL7 im Januar in den Online-Showroom.
Der ET7 ist eine wuchtige Fünf-Meter-Limousine, die von einem 480 kW (652 PS) starken E-Motor angetrieben wird und in 3,8 Sekunden von 0 auf 100 km/h beschleunigt. Der 75 kWh starke Akku soll eine Reichweite von 445 Kilometern ermöglichen – der 100 kWh-Akku liegt bei 580 Kilometer. Der ET5 kommt auf die gleiche Reichweite und wird von zwei Motoren mit einer Systemleistung von 360 kW (489 PS) angetrieben. Beim 4,90 Meter langen SUV ET7 liegt die Reichweite beim kleinen Akku bei 394 und mit dem 100 kWh starken Energiespender bei 513 Kilometern.
Beim Design schuf Thomas „eine globale Formensprache“ und verzichtete bewusst auf Spielerein. Im Innenraum ist seine Vergangenheit bei Gulfstream unübersehbar. Edle, sauber verarbeitete Materialien dominieren den großzügig dimensionierten hellen Raum. „Wir wollten einen rollenden Wohnraum schaffen“, erklärt Thomas, und das ist ihm auch gelungen. Als Helfer für Fahrer und Passagiere fungiert der Sprachassistent Nomi, und die digitale Abteilung wird von der von Nio entwickelten Software Banyan übernommen, in der alle denkbaren Assistenzsysteme vereint wurden.
Die Abogebühren für den ET7 beginnen bei 1199 Euro pro Monat, bei einer Laufzeit von drei Jahren. Daneben sind auch andere flexiblere Abo-Modelle möglich. In Norwegen übrigens, wo Nio bereits seit einem Jahr unterwegs ist, kann die Limousine auch gekauft werden und kostet dort umgerechnet rund 65.000 Euro.
(Quelle: Auto-Medienportal ampnet)