30. November 2023
Fahrbericht Porsche 911 S/T: Die Krönung
Dabei geht es abermals nicht um maximale Längsdynamik – dafür sind die Turbo-Ableitungen zuständig – und auch nicht um ultimative Rundenzeiten wie beim GT3 RS, sondern um einen extrem puristischen Ansatz, um ungefilterte Rückmeldung und überragende Spontanität. Und auch um eine Verneigung vor der Historie: Mit dem 911 S/T feiert Porsche den 60. Geburtstag der Baureihe, ST war Ende der 60er Jahre eine halboffizielle Bezeichnung für eine sportliche Variante des 911 S.
Um den 911 S/T auf die Räder zu stellen und zur Perfektion zu bringen konnten sich die Entwickler teilweise aus dem hauseigenen Baukasten bedienen, namentlich aus jenem des vorwiegend für die Rennstrecke entwickelten GT3 RS. So kommt dessen 4,0-Liter-Saugmotor mit 525 PS (386 kW) zum Einsatz. Er leistet 15 PS mehr als der Motor im GT3 mit Touring-Paket. Die Gegenüberstellung lohnt, denn S/T und GT3 Touring sind sich in Sachen Produktphilosophie am nächsten. Beim Spurt von 0 auf 100 km/h liegt der S/T mit 3,7 versus 3,9 Sekunden bereits vor dem GT3 Touring, beim Spurt auf 0 auf 200 km/h wächst der Abstand deutlich: 12,9 versus 13,8 Sekunden.
Porsche schafft das unter anderem mit extremem Leichtbau: Während der bereits stark optimierte GT3 Touring 1418 Kilogramm auf die Waage bringt, sind es beim 911 S/T ganze 1380 Kilogramm. Damit ist er der leichteste aktuelle 911 überhaupt. Möglich macht das ein Bündel an Maßnahmen – zum Beispiel die Nutzung der Kohlefaser-Anbauteile und -Vordertüren des GT3 RS, die nicht nur ein gepfeiltes Profil aufweisen, sondern auch – im Gegensatz zu den elektrischen, wenig griffsympathischen Klappgriffen der anderen 911-Versionen – mit klassischen Bügelgriffen ausgerüstet sind. Die Frontpartie entspricht weitgehend dem GT3, die Heckscheibe wird allerdings optisch durch eine dunkel lackierte Fläche nach hinten verlängert.
Magnesium-Schmiederäder vorn und hinten helfen ebenfalls, das Gewicht abzusenken, nur beim Heckspoiler hatte das Design Vorrang: Anstelle eines festen Bauteils entschieden sich die Gestalter für einen ausfahrbaren Spoiler, um im Stand und bei Langsamfahrt eine puristische Optik zu bewahren. Die Rücksitzanlage entfällt. Vordere Schalensitze sind Serie, genauso wie die Schlaufen zum Öffnen der Portale von innen. Das 12-Volt-System wird von einer Lithiumionen-Batterie statt eines Bleiakkus gespeist, und es ist auch reichlich Dämmaterial herausgenommen worden.
Das wiederum gereicht dem Fahrspaß am Volant des 911 S/T ausschließlich zum Vorteil, denn das Auto zeichnet sich durch einen nicht nur extrem potenten, sondern auch äußerst klangstarken Antrieb aus. Der Sechs-Zylinder-Sauger hängt unglaublich gut am Gas, beim Schalten fällt die Drehzahl schlagartig in den Keller, um dann ebenso rasch wieder nach oben zu schnellen. Ein derartig feinnerviges Ansprechverhalten kennen wir eigentlich sonst nur von reinrassigen Rennautos, und der 911 S/T dürfte damit heute einzigartig dastehen. Vor allem im oberen Drehzahlbereich, und der reicht bis 9000 Umdrehungen in der Minute, legt dieser 911 mit unglaublicher Vehemenz an Tempo zu, verschluckt sich aber auch bei niedrigen Drehzahlen nicht. Für die Kraftübertragung auf die Hinterräder sorgt eine sauber schaltende, mit kurzen Wegen ausgestattete Sechs-Gang-Handschaltung. Warum gibt es überhaupt andere Getriebekonzepte?
Das Getriebe ist kürzer ausgelegt als beim GT3, was sowohl die eingangs erwähnten, besseren Beschleunigungswerte als auch die niedrigere Höchstgeschwindigkeit erklärt: Bei glatten 300 km/h ist Schluss (übrigens abgeregelt). Die Leichtbau-Kupplung, die es nur beim S/T gibt, senkt das Gewicht um stolze 10,5 Kilogramm.
Das Fahrwerk ist optimal auf Antrieb und Leistung des S/T abgestimmt: Die Doppelquerlenker-Vorderachse des GT3 sorgt für extreme Präzision, die Kohlefaser-Keramik-Bremsen packen bissig zu, auf eine Hinterachslenkung verzichten die Zuffenhausener. Der S/T steht auf Mischbereifung: 255/35 ZR 20 vorn, 315/30 ZR 21 hinten. Die Aerodynamik ist im Gegensatz zum GT3 RS nicht für die Rennstrecke, sondern für die Landstraße optimiert. Und dort lässt sich dieser derzeit ultimative 911 mit einer unglaublichen Leichtigkeit bewegen. Das Fahrzeug ist stets hellwach und präsent, ohne den Fahrer zu überfordern.
Das Auge ergötzt sich sich dabei an den exklusiv für den S/T teilweise grün hinterlegten Skalen, eine Reminiszenz an die ersten 911er-Baujahre. Auf die optionale, ebenfalls grün akzentuierte Sport-Chrono-Uhr würden wir übrigens verzichten (nicht nur aus Gewichtsgründen).
Man muss genau hinschauen, um den 911 S/T vom GT3 Touring zu unterscheiden. Der Differenzierung dienen neben den RS-Türen nur noch das abweichende Heckscheiben-/Lufteinlass-Ensemble. Dem einen oder anderen Kunden mag dieser Auftritt zu diskret sein. Deshalb wird ein laut Porsche „besonders elegantes“ Paket namens Heritage Design angeboten. Es kostet in Deutschland 17.504 Euro und wird gekrönt durch eine große Startnummer auf Fahrer- und Beifahrertür. Um einen weiteren fünfstelligen Betrag leert sich das Portemonnaie mit dem Kauf eines der den Kunden des S/T vorbehaltenen, ebenfalls „gewichtsoptimierten“ Chronographen.
Der Kaufpreis für den 911 S/T liegt in Deutschland bei 292.187 Euro, womit er um fast genau 100.000 Euro oberhalb des GT3 mit Touring-Paket liegt. In einem Akt der Zahlenmystik ist die Stückzahl auf 1963 Einheiten begrenzt: Sie korrespondiert mit dem Erscheinungsjahr der Baureihe. Es bedarf kaum der Erwähnung, dass bereits alle Exemplare verkauft sind.
Daten Porsche 911 S/T
L x B x H (m): 4,57 x 1,85 x 1,28 cm
Radstand (m): 2,46
Antrieb: 6-Zyl-Boxer, 3996 ccm, 6-Gang-Schaltung
Leistung: 386 kW / 525 PS bei 8500 U/min
Max. Drehmoment: 465 Nm bei 6300 U/min
Höchstgeschwindigkeit: 300 km/h (abgeregelt)
Beschleunigung 0 auf 100 km/h: 3,7 Sek.
WLTP-Verbrauch: 13,8 l/100 km
CO2-Emissionen: 313 g/km
Gepäckraum: 132 l (vorn)
Leergewicht / Zuladung: 1380 / 315 kg
Preis: 292.187 Euro
(Quelle: Jens Meiners, cen)