08. Februar 2021
Fahrbericht Mercedes-Maybach GLS 600: Fahren oder gefahren werden?
Die Wiedergeburt von Maybach als Sub-Marke von Mercedes-Benz ist eine echte Erfolgsgeschichte. Vor allem in China, aber auch in den USA, erreichen die Verkaufszahlen achtbare Höhen. Mit dem Mercedes-Maybach GLS 600 bieten die Schwaben jetzt eine Ableitung des Geländewagens GLS, die – im Gegensatz zur Maybach S-Klasse, die deutlich verlängert wurde – mit den gleichen Abmessungen wie das Ausgangsmodell auftritt. Und damit ist sie auch eine Alternative für Selbstfahrer. Wir haben es eine Woche lang in und um New York City ausprobiert.
Selbst in diesem Umfeld, wo ähnlich dimensionierte Geländewagen wie Cadillac Escalade oder Lincoln Navigator die Straßen bevölkern, fällt der Maybach GLS auf. Und das liegt bei unserem Testwagen nicht nur an den eindrucksvollen 22-Zoll-Felgen, sondern vor allem an der majestätisch wirkenden Zweifarben-Lackierung, ein Extra, das in Europa 20.825 Euro kostet. Die großzügig verchromten Lufteinlässe wirken bei hellen Lackierungen harmonischer, während sie in Verbindung mit dunkleren Farben stark in den Vordergrund rücken. Ein schönes Detail ist der auf der Haube thronende Stern. Das gab es bei einem Mercedes-Geländewagen noch nie.
Wenn sich der Besitzer bei Dunkelheit dem Fahrzeug nähert, wird er durch eine Projektion des Maybach-Logos begrüßt – und durch ein automatisch ausfahrendes Trittbrett, an das man sich gewöhnen muss. So richtig verdient sich dieser Maybach sein Logo dann im Interieur. Die klare Auslegung als Viersitzer erlaubt es den Designern, alle Register zu ziehen. Dabei liegt der Fokus auf den rückwärtigen Sitzen, jedenfalls wenn der mit 4463 Euro relativ günstige First-Class-Fond bestellt wurde. Dann sitzt man tatsächlich wie in der ersten Klasse und kann von dort auch das Panoramadach und den seitlichen Sichtschutz sowie die verschiedensten Komfort-Funktionen steuern. Eine optionale Kühlbox bietet Raum für zwei Flaschen Erfrischung.
Die Kühlbox ragt allerdings störend in den Gepäckraum, der mit 520 Litern ansonsten ordentlich dimensioniert ist. Die Variabilität der anderen GLS-Modelle bietet der Maybach übrigens nicht. Immerhin passen auch mit Kühlbox mehrere Koffer problemlos hinein. Zu Testzwecken durfte auch unser Hund einmal kurz Platz nehmen; auch von Seiten dieses anspruchsvollen Testers wurden keine Beschwerden laut.
Das liegt sicher nicht nur an den Platzverhältnissen, sondern auch an den hervorragenden akustischen Qualitäten des Maybach GLS. Unter diesen Voraussetzungen kann sich die Burmester-Hifi-Anlage optimal entfalten; wir haben noch nie ein so überlegenes Audio-System erlebt. Die Connectivity funktioniert übrigens perfekt und in Rekordzeit; wir hatten das iPhone in 30 Sekunden verbunden.
Tatsächlich hat der Maybach GLS auch dem Fahrer einiges zu bieten. Die Rundumsicht entspricht den anderen GLS-Modellen, die Weitwinkel-Visualisierung der rückwärtigen Kamera erleichtert das Manövrieren erheblich. Mit dem großen Panoramadach lässt sich ein lichtdurchflutetes Ambiente schaffen. Und die Sitzposition ist perfekt. Die Haltegriffe an der Mittelkonsole erinnern daran, dass es sich noch immer um ein SUV handelt - das übrigens auch abseits befestigter Wege sehr weit kommt. Wir konnten uns bei Testfahrten mit einem technisch praktisch identischen GLS 580 davon überzeugen. So kann der Besitzer gegebenenfalls per Maybach die weitläufigen Ländereien besichtigen.
Unter der Haube des Maybach GLS 600 steckt ein 4,0-Liter-V8-Biturbo, der hier stolze 557 PS leistet; damit liegt er zwischen GLS 580 mit 489 PS und dem AMG GLS 63 mit 612 PS. Die Fahrleistungen können sich sehen lassen: In nur 4,9 Sekunden wird der knapp 2,8 Tonnen schwere Geländewagen auf 100 km/h katapultiert, und an der angegebenen Vmax von 250 km/h herrscht kein Zweifel. Die Neun-Stufen-Automatik schaltet sehr sanft, der Antrieb ist feinnervig und jederzeit zum Sprung bereit. Übrigens verfügt der Antrieb über einen elektrischen Booster, der bis zu 15 kW/22 PS ansatzlos zur Verfügung stellt. Der Verbrauch liegt im Zyklus bei 12 Litern pro 100 Kilometer, angesichts der Qualitäten des Maybach ein sehr guter Wert.
Im Sport-Modus erinnert ein entferntes, subtiles Grollen gelegentlich daran, dass unter der Haube ein extrem starker Achtzylinder mit AMG-Genen auf Kommando wartet. Es gibt auch einen Comfort/Maybach-Modus, der für ein besonders sanftes Fahrerlebnis sorgt und den Komfort für die zweite Sitzreihe optimiert. Außerdem gibt es einen Off-Road-Modus, den wir nicht ausprobiert haben, und den Curve-Modus, mit dem sich der Geländewagen in die Kurve neigt. Uns gefällt diese Funktion, sie lässt das Auto geradezu mit der Fahrbahn verschmelzen. Aufpflasterungen und Schlaglöcher nimmt das Auto übrigens kaum zur Kenntnis, egal welcher Modus gewählt ist.
Der Mercedes-Maybach GLS 600 4Matic steht für 162.495 Euro in der Preisliste; das sind ausstattungsbereinigt knapp 50.000 Euro mehr als ein GLS 580, wobei der Maybach allerdings nicht nur einen erheblichen Leistungs-Boost und sein einzigartiges Design, sondern auch Extras im Wert von rund 15.000 Euro mitbringt. In Deutschland wird sich seine Verbreitung vermutlich in Grenzen halten; zu sensibel reagiert man in der Heimat des Maybach auf Insignien sozialer Distinktion. Seinen wenigen Besitzern indesssen dürfte gerade dies besondere Genugtuung bereiten.
Daten Mercedes-Maybach GLS 600 4Matic
Länge x Breite x Höhe (m): 5,34 x 2,03 x 1,84
Radstand (m): 3,14
Motor: V8-Benziner, 3982 ccm, Turbolader, Direkteinspritzung
Max. Drehmoment: 730 Nm bei 2500-5000 U/min
Leistung: 410 kW / 557 PS bei 6000-6500 U/min
Höchstgeschwindigkeit: 250 km/h (abgeregelt)
Beschleunigung 0 auf 100 km/h: 4,9 Sek.
WLTP-Durchschnittsverbrauch: 12,0 Liter
Effizienzklasse: D
CO2-Emissionen: 275 g/km (Euro 6d-Temp)
Leergewicht / Zuladung: min. 2785 kg / max. 465 kg
Kofferraumvolumen: 520 Liter
Max. Anhängelast: 3500 kg
Wendekreis: 12,5 m
Bereifung: 285/45 R 22 vorn, 325/40 R 22 hinten
Luftwiderstandsbeiwert: 0,32
Basispreis: 162.495 Euro
(Quelle: Auto-Medienportal ampnet)