02. November 2021
Fahrbericht Lynk & Co 01: Henry Fords Erben leben in China
Henry Ford lebt zwar seit dem 7. April 1947 nicht mehr, doch seine Marktstrategie scheint in China wenigstens bei Lynk & Co weiterzuleben. Konnte man das Ford T-Modell in allen Farben, „solange sie schwarz ist“ bestellen, so rollt der Lynk & Co 01 in Europa in allen Lackierungen auf den Markt, vorausgesetzt sie ist schwarz oder blau. Und auch bei der Ausstattung lebt Henry Ford weiter: Der 01 ist vollständig ausgestattet, Extras gibt es nicht. Höchstens eine Anhängerkupplung kann demnächst bestellt werden.
Beim Vertrieb geht die Marke ebenfalls neue Wege. Den Lynk & Co 01 gibt es im Abo, und das kostet 500 Euro pro Monat. Natürlich kann das kompakte SUV auch gekauft werden, doch bisher setzt die überwiegende Mehrheit auf das Abo-Modell, in dem alle Kosten enthalten sind. Lynk & Co hat auch keine Kunden, sondern Mitglieder, die einem Club beitreten. Immerhin haben sich bisher in Europa rund 19.000 Menschen entschlossen, sich vom klassischen Kaufmodell zu verabschieden. Gleichzeitig können sie ihr Auto mit anderen Mitgliedern der Lynk-&-Co-Gemeinschaft teilen und so die Kosten senken. Die Miete fürs Verleihen setzt der jeweilige Abo-Kunde selbst fest. „Wir sind eine Art Airbnb für die mobile Gesellschaft“, beschreibt Lynk-&-Co-Markenchef Alain Visser den neuen Ansatz bei der Eröffnung des neuen Pop-up-Stores der Marke in München.
Treffpunkt der Lynk-Besitzer sind die Clubs, von denen der erste deutsche in Berlin seine Tore geöffnet hat. In Hamburg und jetzt auch in München laden Pop-up-Stores zum Austausch und Veranstaltungen ein. Den klassischen Autoverkäufer werden die Besucher allerdings vergebens suchen. Der Vertrieb des 01 läuft allein über das Internet. Allerdings können vor Ort Probefahrten gebucht werden.
Lynk & Co wurde vor fünf Jahren gegründet und gehört zum chinesischen Geely-Konzern, zu dessen Marken auch Volvo und Polestar zählen, und diese Beziehung hat positive Auswirkungen. Als Basis nutzt der 01 die in Schweden entwickelte CMA-Plattform für Kompaktmodelle, und auch das Design- und Entwicklungszentrum arbeitet in Göteborg. Warum die Kreativen in Schweden bei der Gestaltung der Front des 01 deutliche Anleihen beim Porsche Macan genommen haben, wird aber wohl ihr Geheimnis bleiben.
Trotz der Nähe zu Volvo entwickelt der 01 einen eigenständigen Charakter, der wenig mit dem nüchternen Stil der Schweden gemein hat. Das Design ist emotionaler als die eher kühle Volvo-Formensprache, und auch im Innenraum herrscht eine beschwingtere Atmosphäre. Der große Bildschirm ist ablesefreundlich waagerecht montiert und fungiert als Kommandozentrale, die durch einige konventionelle Schalter und Drehregler ergänzt wird. Fehlt nur noch ein Head-up-Display, doch das gibt es auch für Geld und gute Wort nicht. Henry Fords Erben kennen eben keine Extras. Die Materialien sind hochwertig und sauber in China verarbeitet. Ursprünglich sollte der 01 in Belgien gebaut werden, doch dort nutzt Volvo gerade alle Kapazitäten.
Angetrieben wird der 01 von einem Dreizylinder mit 1,5 Liter Hubraum, der mit einem 60 kW starken Elektromotor kombiniert ist, was sich in eine Systemleistung von 180 PS (132 kW) übersetzt. In acht Sekunden ist aus dem Stand Tempo 100 km/h erreicht, und die elektrische Reichweite liegt dank der 17,6 kWh starken Batterie bei durchaus realistischen 69 Kilometern (nach WLTP). In der Stadt sollen es 81 Kilometer sein. Bei 210 km/h ist die Höchstgeschwindigkeit erreicht.
Autos „Made in China“ genießen nach den erfolglosen Versuchen, mit konventionellen Modellen in Deutschland zu starten, keinen guten Ruf. Der Lynk & Co 01 hat dieses Misstrauen allerdings nicht verdient. Das Fahrwerk ist in Richtung Komfort ausgelegt, verdrängt die Schwächen der Infrastruktur, die Lenkung arbeitet exakt, und überhaupt erreicht das SUV aus China europäische Eigenschaften.
Das Sieben-Gang-Kupplungsgetriebe arbeitet unauffällig im Hintergrund, und wenn der Mensch hinter dem Lenkrad die Einstellung „Power“ wählt, entwickelt der 4,54 Meter lange 01 durchaus dynamische Eigenschaften. Allerdings geht dabei viel Reichweite verloren. Am wirtschaftlichsten ist die Einstellung „Hybrid“, die selbstständig die beste Antriebskombination sucht. Der versprochene Verbrauchswert von 1,2 Litern für 100 Kilometer ist aber in beiden Einstellungen nichts mehr als ein schöner Traum. Realistischer sind da rund sechs Liter.
Daten Lynk & Co 01
Länge x Breite x Höhe (m): 4,54 x 2,14 x 1,69
Radstand (m): 2,734
Antrieb: R3-Benziner, 1477 ccm, Plug-in-Hybrid, Frontantrieb, 7-Gang-Doppelkupplungsgetriebe
Gesamtleistung: 132 kW / 180 PS bei 5500 U/min
Max. Drehmoment: 265 Nm bei 1500-4000 U/min
Höchstgeschwindigkeit: 210 km/h
Beschleunigung 0 auf 100 km/h: 8,0 Sek.
Elektr. Reichweite: 69 km (WLTP)
WLTP-Durchschnittsverbrauch: 1,2 Liter
Effizienzklasse: k.A.
CO2-Emissionen: 27 g/km
Leergewicht / Zuladung: min. 1879 kg / max. 471 kg
Abopreis: 500 Euro / Monat
(Quelle: Auto-Medienportal ampnet)