25. Juni 2024
Fahrbericht Can-Am Spyder F3: Speedboot auf Rädern
„Unsere Fahrer haben keine Angst, aufzufallen“, versichert Anne-Marie Laberge, Chief Marketing Officer von BRP. Das Kürzel steht für Bombardier Recreational Products. Der kanadische Mutterkonzern von Can-Am ist Weltmarktführer in der Powersportbranche und beglückt Fahrspaßjünger mit leistungsstarken Schneemobilen, pfeilschnellen Jetbooten und Wasserscootern, unaufhaltsamen ATV und SSV sowie den dreirädrigen Onroad-Modellen Spyder und Ryker. Bald gesellen sich auch noch Elektromotorräder hinzu. Dann kommt wirklich jeder auf seine Kosten, der sich gern anders als die breite Masse durchs Leben bewegt.
Die 2024er-Modellgeneration besteht aus dem kompakten Ryker (ab 10.999 Euro) mit den zusätzlichen Ausführungen Sport (ab 14.799 Euro) und Rally (ab 16.699 Euro), dem Spyder F3 als nackte Kanone F3-S (ab 26.299 Euro) und bekoffertem F3 Limited (ab 31.299 Euro, Special Series ab 33 299 Euro) sowie dem Spyder RT (ab 33.999 Euro). Am oberen Ende der Preisliste krönt die vollausgestattete Highend-Variante Sea-to-Sky die Modellpalette (36.099 Euro). Alle Can-Am-Dreiräder haben Antriebe von Rotax, modellabhängig mit 600 oder 900 Kubikzentimeteren Hubraum (Ryker) beziehungsweise 1330 ccm im Falle des Spyder. Allesamt dürfen sie in den meisten Ländern mit dem Pkw-Führerschein gefahren werden (Mindestalter: 21 Jahre).
Konzentrieren wir uns auf den Spyder F3. Er ist das Biest der Produktfamilie. Das Modell, das selbst eingefleischten Motorradfahrern richtig Spaß macht, auch wenn die Fahrphysik auf einem Spyder eine gänzlich andere ist: Durch die Vorderachse mit der Spurweite eines Smart neigt sich der Spyder samt Fahrer nicht in die Kurven, sondern schiebt wie ein Kompaktwagen leicht über die Vorderräder. Wer es übertreibt mit dem Kurventempo, wird von der Traktions- und Stabilitätskontrolle eingefangen – und das mit Nachdruck. Die Geschwindigkeit wird von der Elektronik schlagartig runtergeregelt und nimmt so spürbar Dynamik aus dem Speedboot auf Rädern.
Gebremst wird wie beim Auto mit einem massiven Fußbremspedal; in diesem Fall sitzt es auf der rechten Seite und wirkt auf alle drei Bremsscheiben gleichzeitig. Über das sogenannte U-Fit-System kann die Fußrastenanlage individuell an die Größe des Fahrers beziehungsweise seine Beinlänge angepasst werden. Auch der Lenker ist verstellbar. So sollte jeder die ideale Sitzposition finden – und dann heißt es: festhalten!
Wer es drauflegt, brennt mit dem 115 PS starken Touren-Dreirad eine zehn Meter lange Gummispur auf den Asphalt. Die tief ausgeschnittene, maximal bequeme Sitzbank verhindert, dass es den Fahrer hinten runterpustet. Wie ein Power-Cruiser schiebt der 428 Kilogramm schwere F3-S mit seinen 130 Newtonmetern los. Tempo 100 liegt nach rund vier Sekunden an – so schnell wie ein 394 PS starker Porsche Carrera 911 (4,1 sec.). Die Höchstgeschwindigkeit beträgt offiziell 200 km/h.
Um die Vmax-Marke zu erreichen, sind gute Nerven Voraussetzung: Bauartbedingt ist das Steuern einer breiten Vorderachse per Lenker mit zunehmendem Tempo eine etwas nervöse Angelegenheit. Handbrems- und Kupplungshebel sucht der Fahrer vergebens. Bei den Gangwechseln assistiert eine Halbautomatik: Links am Lenker können die sechs Fahrstufen per Schaltpaddel rauf- und runtergeschaltet werden. Letzteres übernimmt beim Anhalten im Zweifel die Halbautomatik. So ist sichergestellt, dass sich der Spyder immer im ersten Gang in Bewegung setzt.
Laut offizieller Verbrauchsangabe kommt der F3 mit einer Spritladung rund 430 Kilometer weit. Wer es fliegen lässt und regelmäßig die Pole Position beim Ampelstart beansprucht, sollte deutlich früher eine Zapfsäule aufsuchen. Wie er auf schnellstem Wege hinkommt, verrät ihm ab sofort der neue 10,25 Zoll große Touchscreen. Vollfarbig spiegelt er über Apple Carplay das iPhone des Halters nahezu auf die gesamte, 26 Zentimeter messende Display-Diagonale. Anmutung und Auflösung sind brillant. Über Apple-Karten kann großflächig navigiert werden. Alternativ übernimmt die BRP-Connect-App diesen Job. Für Telefonate, Sprachbedienung und Playlists bedarf es eines Headsets.
Der 2024er Spyder F3-S sticht mit rotem Rahmen und gefrästen 10-Speichen-Felgen hervor. Dazu gibt es einen neuen Super-Sport-Kühlergrill sowie neue LED-Scheinwerfer mit weißerem Licht und breiterer Ausleuchtung der Straße. Der neue F3 Limited Special Series schmückt sich mit cognacfarbener Lackierung und neuen, titanfarbenen Zehn-Speichen-Felgen. Serie hier, neben einem opulenten Soundsystem: unter anderm eine abnehmbare Fahrer-Rücklehne und der wunderbare Komfortsitz. Die kraftstrotzende Attitüde kulminiert im mächtigen Kühler und der unterhalb des Lenkers platzierten LED-Scheinwerferbatterie, der auf Höhe des „Frunks“ (Stauraum vorn) zwei weitere LED-Spots assistieren. Die LED-Blinker sitzen weit vorn auf den Radabdeckungen der freistehenden 15-Zöller.
Der massige RT Sea-to-Sky wirkt im Vergleich zum muskulösen F3 wie ein Asphalt-Dampfer. Ein echtes Kreuzfahrtschiff, trocken 464 Kilo schwer und solide wie ein Linienbus. Viele Spyder-Fahrer lieben genau das. Der aufgefrischte RT Sea-to-Sky setzt jetzt auf die neue Lackierung Vegas White Satin und die Felgenfarbe Mokka. Drei Fahrmodi steuern beim Spyder das Ansprechverhalten, die Leistungsabgabe und den Eingriff der Assistenzsysteme. Den wendigen und mit einem CVT-Getriebe bestückten Can-Am Ryker Rally zieren jetzt Felgen in Hyper Silver. Mittels unterschiedlicher Verkleidungssätze lässt er sich easy zu einem Gesamtkunstwerk individualisieren. Kein Wunder, dass alle gucken.
Daten Can-Am Spyder F3-S
Motor: R3, flüssigkeitsgekühlt, 1330 ccm
Leistung: 86 kW / 115 PS bei 7250 U/min
Max. Drehmoment: 130 Nm bei 5000 U/min
Höchstgeschwindigkeit: 200 km/h
Beschleunigung 0-100 km/h: ca. 4,0 Sekunden
Getriebe: 6-Gang
Antrieb: Riemen
Tankinhalt: 27 Liter
Sitzhöhe: 675 mm
Gewicht: 428 kg (vollgetankt)
Normverbrauch: 6,3 l/100 km
CO2-Emissionen: 155 g/km
Testverbrauch: 6,9 l/100 km
Bereifung: 165/55-15 (v.) / 225/50-15 (h.)
Preis: ab 26.299 Euro (inkl. NK)
(Quelle: Ralf Bielefeldt, cen)