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14. August 2024

Praxistest Toyota Prius: Vorzeigbarer Pionier

Er war 1997 der Pionier der Hybrid-Technologie – auch wenn japanische Designer dafür das ästhetische Empfinden auf eine harte Probe gestellt hatten. Denn die ersten Generationen des Prius waren mindestens so seltsam gestaltet wie die neue Antriebstechnik. Doch Toyota – ebenso wie die Fans – sind dem Benzin-Elektro-Zwitter-Konzept treu geblieben. Und die inzwischen fünfte Generation sieht mit der keilförmigen Coupé-Form endlich nach einem Auto aus, das die Köpfe nicht mehr aus Verwunderung drehen lässt. Unter der Haube des auf 4,60 Meter geschrumpften Hybrid-Pioniers steckt allerdings nun statt des „leistungsverzweigten“ ein inzwischen „gewöhnlicher“ Plug-in-Hybrid-Antrieb.

Und der bringt es auf eine Systemleistung von 223 PS (164 kW), die den neuen Prius recht flott in 6,8 Sekunden auf Tempo 100 und weiter bis 177 km/h beschleunigt, bis 135 km/h geht es sogar rein elektrisch, was ihm im Gegensatz zu den Vorgängern über eine erkleckliche Strecke gut gelingt. Das liegt natürlich vor allem an der stärkeren E-Maschine, deren Leistung von zuvor 53 kW (72 PS) auf nun 120 kW (163 PS) mehr als verdoppelt wurde. Damit ist die E-Maschine kräftiger als der ebenfalls auf 151 PS erstarkte und auf 2,0 Liter Hubraum vergrößerte Verbrenner, ohne dessen Hilfe sich die meisten Anforderungen bewältigen lassen.

Hinzu kommt die auf 13,6 kWh vergrößerte Batterie, die unter Idealbedingungen bis zu 86 Kilometer Reichweite ermöglichen soll. Über 60 Kilometer sind wir bei unseren Testfahrten zwar nicht hinausgekommen, aber für alltägliche Fahrten im urbanen Alltag ist auch das ausreichend. Der Stromverbrauch war dabei mit 17,2 kWh für ein Elektroauto recht niedrig. Erkauft wird es jedoch mit reichlich Zeit, die der Wagen wegen der schlappen Ladeleistung von 3,3 kW an der Steckdose hängt. Nach vier Stunden an einer öffentlichen AC-Ladepunkt war der Akku immer noch nicht ganz voll. Damit hängt der einstige Elektro-Pionier der Konkurrenz weit hinterher.

Dafür bleibt er im Verbrennerbetrieb sehr genügsam. Im standardmäßig aktivierten Hybrid-Modus betrug der Benzinverbrauch im Schnitt 4,8 Liter Super auf 100 Kilometer, auch wenn die Batterie leer ist. Was zwar weit entfernt von dem nach WLTP kombinierten Verbrauch von 0,5-0,7 Litern Benzin und 12,8-13,3 kWh Strom je 100 Kilometer, doch immerhin zeigt der Prius, dass er selbst mit seiner schlechten Ladedisziplin effizient unterwegs ist.

Tatsächlich fährt der Prius – eine gut gefüllte Batterie vorausgesetzt – beinahe durchgängig mit dem geräuschlosen Elektroantrieb. Der Verbrenner schaltet sich erst zu, wenn man das Gaspedal sehr spontan und kräftig durchdrückt oder halt mit leerem Akku fährt. Was zugleich bedeutet, dass das stufenlose Getriebe weniger häufig aufheult und damit der Antriebskomfort gegenüber dem Vorgängermodell deutlich angenehmer ausfällt. Der Fahrer kann die Betriebsstrategie des Hybrid-Systems beeinflussen und zwischen Auto EV/HV, Hold Charge und rein elektrischem Fahren (EV) wählen.

Auch im Fahrverhalten ist der Prius deutlich besser als in früheren Generationen. Die Federung reagiert feinfühlig auf Unebenheiten der Straße. Insbesondere Stöße von Kopfsteinpflaster oder Fahrbahnabsätzen werden kaum in den Fahrgastraum übertragen, kurze Bodenwellen dagegen schon eher spürbar. Die Fahrstabilität überzeugt sowohl in Bezug auf Fahrsicherheit wie Fahrdynamik. Der Prius bleibt lange neutral und gut beherrschbar und auch Lastwechselreaktionen nimmt er mit souveräner Gelassenheit.

Die Energierückgewinnung (Rekuperation) lässt sich in drei Stufen einstellen, wodurch die Stärke des Abbremsens beim Gaswegnehmen variiert werden kann. Die Wahl bleibt aber eher eine Frage des Geschmacks als der Effizienz, ist außerdem etwas umständlich nur über das Bordmenü einzustellen. Die meiste Energie spart man ohnehin – nicht anders wie beim Verbrenner – durch langsames und möglichst gleichmäßiges Fahren mit vorausschauendem Einsatz des Gaspedals.

So sehr die neue Form jedoch auch dem Auge schmeichelt, wirklich praktisch ist sie nicht. Zwar konnte durch den auf 2,75 Meter gewachsenen Radstand die Batterie vom Kofferraum in den Bereich unter der Rücksitzbank wandern. Geholfen hat es dem Gepäckabteil deshalb aber nicht. Mickrige 284 Liter passen hinein. Wenigstens die hinteren Lehnen lassen sich zu einer Ebene umklappen, auf der dann auch bis unters Dach insgesamt 1120 Liter verstaut werden können. Überraschend geräumig und komfortabel dagegen der Platz für die Passagiere.

Anders als es die Coupé-Linie vermuten lässt, ist die Kopffreiheit auch für Hinterbänkler bis 1,80 Meter mehr als ausreichend, ebenso wie der Abstand zu den vorderen Sitzen. Dort gibt es naturgemäß mehr Platz. Allerdings sollten große Leute auch hier beim Einstieg auf den Kopf achten. Das Lenkrad im überwiegend schwarz gekleideten Innenraum ist ähnlich wie im rein batterieelektrischen Bz4X sehr tief angeordnet, über das man auf ein weit vorne zur Windschutzscheibe hin platziertes digitales Kombiinstrument schaut. Dessen Anzeigen und Funktionen lassen sich nur über die Tasten am Lenkrad einstellen, was nicht zuletzt wegen der verwirrenden Kürzel und des kleinen Displays nicht wirklich benutzerfreundlich ist.

Besser zu durchschauen und handeln sind da die Funktionen auf dem mittigen Infotainment-Display, das für aktuelle Verhältnisse zwar inzwischen schon fast etwas zu klein ausfällt. Navigation, Audio, Smartphone-Integration und weitere Einstellungen lassen sich jedoch nach kurzem Ausprobieren gut bedienen. Für die Klimaanlage gibt es weiterhin physische Knöpfe und Schalter. Etwas gewöhnungsbedürftig ist die Funktion des Automatik-Wählhebels, bei dem der Rückwärtsgang über die Drive-Stellung ausgeführt wird.

Bemerkenswert ist die Fülle an Assistenzsystemen, die ab Werk an Bord sind. So etwa das sogenannte Predictive Efficient Drive System, das tägliche Routen und Fahrstil des Fahrers lernt. Auch teilautomatisches sowie ferngesteuertes Einparken ist möglich. Der Prius warnt vor drohenden Kollisionen (Front-, Heck-, Quer-Verkehr), Objekten im toten Winkel, vor rückwärtig nahenden Verkehrsteilnehmern beim Öffnen der Türen sowie beim Spurwechsel vor Hindernissen. Der Notbremsassistent ist innerorts bei geringen als auch außerorts bei hohen Geschwindigkeiten auf der Hut und bleibt auch beim rückwärtigen Rangieren aufmerksam. Auf der Langstrecke sorgt der serienmäßige Abstandstempomat für entspanntes Cruisen.

Getrübt wird die Fahrfreude jedoch durch das Überwachungssystem, das den Fahrer schon bei der kleinsten Tempoüberschreitung um zwei Kilometer oder dem Plausch mit der Nachbarin mit Pieptönen und Warnhinweisen im Display nervt. Zumal diese Gängelung nicht – wie bei vielen Wettbewerbern – abgeschaltet werden kann. Zusammen mit den nicht eben wenigen Fehldiagnosen wird dieses Sicherheitssystem zum Unsicherheitsfaktor, weil man es irgendwann einfach ignoriert.

Zugelegt hat angesichts der optischen, technischen und ausstattungsbedingten Aufwertung natürlich auch der Preis. Schon die Basisversion kostet aktuell mindestens 45.990 Euro. In der von uns gefahrenen mittleren Version Executive sind für 2000 Euro Aufpreis zusätzlich eine elektrische Heckklappe und Lenkradheizung, einen digitalen Innenspiegel und 19-Zoll-Leichtmetallfelgen an Bord. In der Topversion Advanced werden 53.490 Euro fällig. Dafür gibt es dann on top ein Einparksystem (IPA) mit Remotefunktion, Solardach, Panorama-Kamerasystem, Sitzbezüge in Ledernachbildung inklusive Belüftung für Fahrer- und Beifahrersitz sowie eine Sitzheizung hinten.

Daten Toyota Prius Plug-in Hybrid

Länge x Breite x Höhe (m): 4,60 x 1,78 x 1,47
Radstand (m): 2,75
Antrieb: Benziner, 1987 cccm, 151 PS (111 kW), E-Motor 120 kW (163 PS), stufenloses CVT-Automatikgetriebe, Vorderradantrieb
Systemleistung: 164 kW (223 PS)
Höchstgeschwindigkeit: 177 km/h
Höchstgeschwindigkeit (elektrisch): 135 km/h
Beschleunigung 0 auf 100 km/h: 6,8 Sek.
Batteriekapazität: 13,6 kWh
Elektr. Normreichweite: 86 km
WLTP-Durchschnittsverbrauch: 0,5–0,7 Liter
Stromverbrauch: 12,8-13,3 kWh
CO2-Emissionen: 12–17 g/km
Leergewicht: min. 1620 kg
Kofferraumvolumen: 284 Liter
Preis: ab 45.990 Euro

(Quelle: Frank Wald, cen)


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